das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Der Weltentwicklungsbericht der \Y/eltbank 209<br />
sprünglichen Erwartungen übertroffen ( ... ) Trotz dieser Erfolge leben jedoch in der<br />
sich entwickelnden Welt noch immer etwa 800 Millionen Menschen in absoluter Armut"<br />
(3).3<br />
In diesen und ähnlichen Passagen wird in fast naiver Weise ein am durchschnittlichen<br />
Wachstum des BSP orientierter Zweckoptimismus verbreitet, es wird dem Leser<br />
suggeriert, als bliebe jetzt nur noch die Bekämpfung der Armut, quasi als Restaufgabe,<br />
zu bewerkstelligen. Die spezifischen gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese Situation,<br />
die vielfach mit dem Terminus "Wachstum ohne Entwicklung« charakterisiert<br />
wurde, hervorgebracht haben und täglich \veiter reproduzieren, bleiben in der<br />
gesamten Weltbank-Studie vollständig ignoriert. 4<br />
Weder originell noch hilfreich sind auch die im Bericht aufgeführten Begründungsversuche<br />
zur Genesis der Unterentwicklung; die Weltbank kommt über die von der<br />
herrschenden Entwicklungsländerforschung erstellten stereotypen Addition diverser<br />
Einzel-Phänomene nicht hinaus: Bevölkerungsexplosion, Mangel an unternehmerischem<br />
und technischem know-how, Kritik des zu hohen Lohnniveaus, Kritik der einseitigen<br />
wirtschaftspolitischen Orientierung auf die städtischen Agglomerationszentren<br />
sowie unzureichende Verfügung über Produktionsfaktoren seitens der ärmeren<br />
Bevölkerungsschichten, um nur die wichtigsten zu nennen.<br />
Wenn auch diese Einzelphänomene zweifelsohne in diesem oder jenem Ausmaß im<br />
Durchschnitt in den meisten Entwicklungsländern anzutreffen sind, so erschöpft sich<br />
diese kanonartige Auflistung schließlich in der bekannten circulus vitiosus-Version,<br />
deren Erklärungswert aber auch bei ständiger Wiederholung nicht über blasse Tautologien<br />
hinausgelangen dürfte.<br />
Besonders hervorhebenswert scheint jedoch m. E. die in diesem Abschnitt dargelegte<br />
ahistorische Betrachtungsweise der Weltbank: "Die ersten Bemühungen um eine<br />
systematische und beschleunigte Entwicklung gehen in den meisten Entwicklungsländern<br />
auf die Mitte dieses Jahrhunderts (sic!) zurück. 25 Jahre ( ... ) sind eine kurze<br />
Zeit ... « (3).<br />
Mit solchen Ausführungen versperrt die Weltbank nicht nur allgemein den Zugang<br />
zu den Ursachen der Unterentwicklung bzw. den MalSnahmen zu deren überwindung,<br />
sondern trägt eher noch zu deren Verschleierung bei: dem Leser wird suggeriert,<br />
daß die Regionen, die heute unter dem Begriff »Entwicklungsländer« oder<br />
"Dritte Welt« subsumiert werden, quasi über Nacht vom Himmel gefallen sindohne<br />
ihre eigenständige Kultur und Geschichte und ohne den Raub- und<br />
Plünderungskolonialismus der inzwischen als hochentwickelt und zivilisiert geltenden<br />
Industrieländer. Die »natürliche« Konsequenz jener Logik ist <strong>das</strong> Zurückweisen<br />
jener "übertriebenen« Forderungen der Entwicklungsländer, denn es dürfte naheliegend<br />
erscheinen, daß die Entwicklungsländer nicht mit einem Ruck jenes Niveau<br />
wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung realisieren können, <strong>das</strong> die heutigen Industrieländer<br />
- angeblich allein aus eigener Kraft - in jahrhundertelanger mühseliger<br />
Fleißarbeit erreicht haben.<br />
Im folgenden Abschnitt des Weltentwicklungsberichts, der sich schwerpunktmäßig<br />
mit dem Entwicklungsbeitrag des Weltmarktes befaßt, tritt die der gesamten Studie<br />
zugrundeliegende orthodoxe Feihandelsideologie besonders kraß in Erscheinung:<br />
obwohl der Weltentwicklungsbericht selbst die in letzter Zeit spürbar gewachsenen<br />
protektionistischen Tendenzen konstatiert und demnach die Palette der durch Han-