das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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222 Frank Suffa-Friedel<br />
Anlagen vor allem aus Japan, der EG und den USA vorgesehen. Obwohl der Umfang<br />
der chinesischen Außenhandelsaktivitäten in den Monaten seit der Veröffentlichung<br />
der Schrift Bettelheims noch erheblich ausgeweitet wurde - im Gegensatz zu früher<br />
hat China langfristige Kredite aufgenommen und die ersten joint venture-Projekte<br />
sind bereits abgeschlossen - kann Bettelheims Behauptung, die Struktur des chinesischen<br />
Außenhandds würde nunmehr der einer Kolonialwirtschaft ähneln (36), nicht<br />
geteilt werden. China ist keineswegs gewillt, seine Binnenmärkte <strong>für</strong> ausländisches<br />
Kapital zu öffnen oder seine natürlichen Ressourcen (und damit seine Arbeiterklasse)<br />
im Austausch mit Konsumgütern ausbeuten zu lassen.<br />
Wenn China Rohstoffe exportiert, dann mit dem alleinigen Ziel, die Produktionsmittel<br />
zu importieren, die es erst in die Lage versetzen kann, sich der eigenen Rohstoff-Ressourcen<br />
zu bedienen. Bei dem Scheitern des Versuchs einer eigenen, von der<br />
übrigen Welt isolierten Entwicklung und dem Fehlen jeglicher Alternative ist es der<br />
ökonomische Rückstand, der dazu zwingt, zeitweise auch den »ungleichen Tausch«<br />
zwischen Ländern unterschiedlicher Arbeitsproduktivität in Kauf zu nehmen, und<br />
nicht die Rückkehr zu einer »revisionistischen« Politik. Die so in Angriff genommene<br />
Entwicklung der eigenen Arbeitsproduktivität erscheint als der einzige Weg, den<br />
durch die Geschichte bestimmten Rückstand aufzuholen. Ebenso negativ wie den<br />
neuen ökonomischen Kurs beurteilt Bettelheim die Reformmaßnahmen im gesellschaftlichen<br />
überbau, etwa die »Konterrevolution im Erziehungswesen« (37), die<br />
sich vor allem im Hochschulbereich vollziehe. Auch hier zieht Bettelheim keine konkrete<br />
Bilanz der kulturrevolutionären Politik auf diesem Gebiet (obwohl hierzu eine<br />
Fülle von Material vorliegt), wenngleich er zugesteht, daß die bisherigen Verhältnisse<br />
unzulänglich waren und es grundlegender Verbesserungen bedürfe. Die 1977/78<br />
durchgeführten Reformen beinhalten vor allem die Einführung neuer Prüfungs- und<br />
Aufnahmesysteme mit dem Ziel der Erhöhung der fachlichen Qualifikation im Sinne<br />
einer Funktionalisierung der Ausbildung <strong>für</strong> die wachsenden Anforderungen im Industrialisierungsprozeß.<br />
Im Gegensatz der Zeit der KR gibt es <strong>für</strong> einen Teil der Schüler<br />
die Möglichkeit, direkt nach Absolvierung der Mittelschule und ohne vorherigen<br />
zwei- bis dreijährigen Aufenthalt in einer ländlichen Kommune bzw. der Arbeit in einer<br />
Fabrik ein Universitätsstudium zu beginnen. Auch wenn man berücksichtigt, dag<br />
die neue Führung glaubt, mit dieser Maßnahme Langversäumtes aufzuholen und den<br />
ungeheuren Bedarf an qualifizierten Technikern und Wissenschaftlern wenigstens ansatzweise<br />
decken zu können 10, muß man Bettelheim zustimmen, wenn er hierbei die<br />
Möglichkeit einer Elitebildung und eine Benachteiligung der Kinder von Arbeitern<br />
und Bauern gegeben sieht: tatsächlich sind es vor allem die Kinder der städtischen Kader,<br />
die die Aufnahmeprüfungen am besten bestehen, zumal ein Bonussystem, <strong>das</strong><br />
eine Benachteiligung aufgrund der örtlichen und sozialen Herkunft der Schüler ausgleichen<br />
würde, nur in Ansätzen existiert. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese m. E.<br />
negative Tendenz, die die Privilegierung einer sich selbst rekrutierenden Intelligenz<br />
unterstützen würde, fortgesetzt oder korrigiert wird, zum al andere wichtige Aspekte<br />
der Reformen - etwa die starke Erhöhung der Studentenzahlen bei gleichzeitiger Anhebung<br />
der Ausbildungszeit, der Wiederaufbau gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen<br />
(wie z. B. einer marxistischen Soziologie, Psychologie, ökonomie oder Geschichtswissenschaft,<br />
die während der KR nicht mehr als marxistisch, zum Teil nicht<br />
einmal den minimalsten wissenschaftlichen Anforderungen entsprechend anzusehen<br />
DAS ARG;U:v1ENT 114'1979 ©