das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Geschichte 297<br />
lismus wie der astrukturellen Basis der <strong>Theorie</strong> und der Patron-Einstellung des Forschers,<br />
also der »gönnerhaften Einstellung gegenüber den machtlosen Abweichlern«. (98)<br />
Etikette, die im Mittelpunkt der Untersuchung der Labeling-Perspektive stehen,<br />
bringen <strong>das</strong> Resultat von alltagstheoretischen Erklärungen <strong>für</strong> die Bedingung des Auftretens<br />
von Verhaltensmustern zum Ausdruck. Wie aber, so fragt Keupp zu Recht,<br />
kommen solche alltagstheoretischen Erklärungen zustande? (110) Es wird versucht,<br />
diese Perspektive in doppelter Weise weiterzuzeichnen in der Darstellung von »pragmatischen<br />
Alltagstheorien über Devianz«. Dies sind zum einen die »Attributionstheorie«<br />
, in der Nachfolge von Heiders Programm einer» Common-sense-Psychologie«,<br />
sowie zum anderen die ethnomethodologische Perspektive einer phänomenologischen<br />
Sozialwissenschaft: »Es wird angestrebt, die Darstellungen von formalen<br />
Strukturen durch die Gesellschaftsmitglieder, wo immer und durch wen auch immer<br />
sie gegeben werden, zu beschreiben. Jedoch enthalten sie (die ethnomethodologisehen<br />
Arbeiten) sich aller Urteile über ihre Adäquatheit, ihren Wert, ihre Bedeutsamkeit,<br />
ihre Notwendigkeit, ihre Praktikabilität, ihren Erfolg oder ihre Konsequenzen«.<br />
(119) Soweit die Ethnomethodologie nicht nur eine Kritik an der Labeling-Perspektive<br />
formuliert, sondern auch eigene Einstiege zum Devianzthema vorgenommen hat,<br />
werden diese exemplarisch dargestellt.<br />
Kernpunkt von Keupps Kritik: »Der Ethnomethodologie gelingt es nicht, die<br />
Pseudokonkretheit der >natürlichen Einstellung< zu zerstören, weil sie dem Bewußtsein<br />
der Menschen selbst verhaftet bleibt. Die gesellschaftliche Tätigkeit wird auf die<br />
als konstitutionslogisch unterstellten Voraussetzungen der Tätigkeit reduziert« (131).<br />
Auf dem so gewonnenen Hintergrund wird nunmehr versucht, die Devianzperspektive<br />
exemplarisch im Bereich von Schule und Krankheit anzuwenden. Im Zentrum der<br />
überlegungen steht zum einen die Entfaltung pragmatischer Alltagstheorien in der<br />
Schule auf dem Hintergrund der mehr und mehr in die Diskussion gekommenen Beratungsfunktionen<br />
des Lehrers. Zum anderen wird die gewonnene Perspektive auf<br />
eine Problematik abweichenden Verhaltens, bei der die organische Grundlage nicht<br />
bestritten werden kann, angewendet. Es wird ein Doppelcharakter von Krankheit<br />
konstatiert und mit Marx auf den Zusammenhang zwischen Natur und Gesellschaft<br />
so verwiesen, »daß diese nicht mehr als isolierte Einheiten betrachtet werden können,<br />
denn sie sind dialektisch miteinander verknüpft«. (173) Krankheit ist somit sowohl<br />
biologische und soziale Tatsache, wie dies mit kulturvergleichenden Daten nochmals<br />
belegt wird, um dann auf den Prozeßcharakter der sozialen Konstruktion von Krankheit<br />
einzugehen. Die verschiedenen Dimensionen von Krankheit als biologischer und<br />
sozialer Prozeß werden herausgearbeitet, um schließlich die alltagstheoretischen Interpretationen<br />
von Krankheit aus Sicht der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt<br />
zu stellen. - Insgesamt bietet <strong>das</strong> Buch einen guten überblick über die gegenwärtige<br />
Devianzdiskussion im Rahmen der interpretativen Soziologie. Die wichtigen übersetzungsstellen<br />
und Kategorien in eine materialistische Analyse sind problematisiert<br />
und herausgearbeitet. Insbesondere könnte eine weitere Verknüpfung des Konzepts<br />
der Alltagstheorie mit den Analysen von Holzkamp zu den Stufen des Erkennens und<br />
der Analyse von W. F. Haug zur »objektiven Gedankenform« eine relevante Forschungs-<br />
und Diskussionsperspektive sein. Wolfgang Jantzen (Bremen)<br />
Geschichte<br />
Gutsche, Willibald (Hrsg.): Herrschaftsmethoden des deutschen<br />
Im p erialis mus 1897/98 bis 1917. Dokumente zur innen- und außenpolitischen<br />
Strategie und Taktik der herrschenden Klassen des Deutschen Reiches.<br />
Akademie Verlag, Berlin/DDR 1977 (295 S., Ln., 28,- M).<br />
162 Dokumente (Auszüge aus Anordnungen, Denkschriften u. dgl. aus dem