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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Das neue Umweltgutachten 239<br />

halb der Verbotsschwelle zu attackieren, dann aber nicht die Mitglieder einzeln, sondern<br />

gleich die ganze Organisation durch scheibchenweisen Entzug von Rechten zu<br />

schwächen. Konsequent durchgeführt, müßte dies zu noch verheerenderen Konsequenzen<br />

<strong>für</strong> den Rechtsstaat führen als bisher:<br />

Erwägt man keine rechtsstaatswidrige Sondergesetzgebung <strong>für</strong> Umweltverbände,<br />

so müßte der Vorschlag des Rates überall Anwendung finden, nicht nur im Umweltbereich.<br />

Wenn ein Alpenpflanzenverein als Tarnorganisation <strong>für</strong> Verfassungsfeinde<br />

entlarvt wird und daher seiner statutenmäßigen Rechte - hier dem Klagerecht in Sachen<br />

Alpenpflanzen - enthoben wird, wie kann dann eine Gewerkschaft ihre Gewerkschaftsfunktionen<br />

behalten, wenn sie sich als Schlupfloch <strong>für</strong> Radikale zu erkennen<br />

gibt oder besser, wenn sie nicht alle Zweifel daran ausräumen kann, daß es verschiedenen<br />

ihrer Mitglieder wirklich nur um die "Sache« anstatt um »ganz andere<br />

Dinge« geht? Nicht wenigen Konservativen dürfte bei diesem Gedanken warm ums<br />

Herz werden. Nächster Schritt: Sind Vereine ihrer statutenmäßigen Funktionen aus<br />

politischen Gründen enthoben, so brauchen sie eigentlich auch keine Rechte als juristische<br />

Personen mehr. Außer rechtskundigen Individuen würde es ohnehin niemand<br />

auffallen, ob ein Umweltschutzverein daran gehindert wird, <strong>für</strong> Naturgüter (ein Verbandsklagerecht<br />

nutzend, sofern es ein solches gäbe) oder <strong>für</strong> sich selbst (seine ihm als<br />

juristische Person zustehenden Rechte wahrnehmend) zu klagen. Die Folgen des Präzedenzfalles,<br />

die der Sachverständigenrat setzen möchte, wären gar nicht auszudenken.<br />

Wer bürgte da<strong>für</strong>, daß die Stimmung, die zunächst gegen Verbände erzeugt würde,<br />

nicht bald auch auf Einzelpersonen übergriffe? Wenn morgen ein Verband sein<br />

Verbandsrecht nicht einklagen kann, weil man ihm schlimme Dinge nachsagt (in<br />

Wirklichkeit, weil er politisch unliebsam ist), so kann übermorgen eine Person ihr<br />

Persönlichkeitsrecht aus dem gleichen Grunde verlieren. Aus der Frage: »hat jemand<br />

Recht oder nicht?« wird unter der Hand: »wer ist <strong>das</strong> überhaupt, der da Recht haben<br />

will?« .<br />

Der Rat bemerkt im Vorwort, daß, im Gegensatz zu 1974, nun erstmals ein ausführlicher<br />

Teil über die volkswirtschaftlichen Aspekte des Umweltschutzes vorgelegt<br />

werden könne. Richtig ist, daß 1974 nur 17 Seiten (155-172), im Jahre 1978 aber<br />

44 Seiten (522-566) hierzu angefertigt worden sind. Da die Informationsdichte beider<br />

Teile indes umgekehrt proportional zu ihrer Länge ist, enthält die Neufassung<br />

nicht unbedingt mehr an Information, im Gegenteil. Das erste, was man als Rezensent<br />

zu diesem Teil sagen kann, ist, daß man ihn stark hätte kürzen können. - Zu Beginn<br />

der ökonomischen Ausführungen heißt es (§ 1692):<br />

"Zur gleichen Zeit (Ende der 60er Jahre, U. H.) lieferte die ökonomische <strong>Theorie</strong> .. , mit<br />

dem sog. Verursacherprinzip ein umweltpolitisches Fundamentalprinzip, <strong>das</strong> als ,Internalisierungsmechanismus<<br />

systemkonform, weil marktkonform ist; es läuft in seiner theoretisch-idealen<br />

Konstruktion auf eine Simulation des Marktgeschehens hinaus: Jeder, der die<br />

Umwelt beansprucht, wird mit den dadurch entstehenden jeweiligen sozialen Zusatzkosten<br />

belastet, so daß auch die Knappheit des Gutes Umwelt, die zwar seit langem besteht, jedoch<br />

bisher kaum wahrgenommen wurde, durch einen Quasi-Preis signalisiert wird.«<br />

Es lohnt sich diese Sätze genau zu lesen, denn an ihnen ist fast alles falsch: (1) Die bürgerliche<br />

ökonomische <strong>Theorie</strong> lieferte die betreffenden Konzepte nicht Ende der 60er<br />

Jahre, sondern etwa seit 1920 mit Pigou. Eine weitere fruchtbare Periode waren die<br />

50er und frühen 60er Jahre mit Kapp, Scitovski, Coase, Buchanan and Stubblebine,<br />

Turvey u. a.

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