das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Das neue Umwe{tgutachten 235<br />
Wege gegangen. So wird es <strong>für</strong> ein Sondergutachten in der Tat höchste Zeit, hat sich<br />
doch der Sachverständigenrat zu einem Thema dieser Brisanz seit seinem Bestehen<br />
noch nicht geäußert.<br />
Der Rat läßt durchblicken, daß er mit Umfang und Charakter seines Werkes nicht<br />
recht glücklich ist. So erwägt er (§ 6), »in Zukunft thematisch begrenzten und problemorientierten<br />
Gutachten Vorrang einzuräumen und damit die bisherige Linie der<br />
Sondergutachten zu verstärken.« Zu diesem Entschluß hätte er schon nach dem ersten<br />
Hauptgutachten 1974 kommen können. Schon damals zeigte sich, daß die gestellte<br />
Aufgabe gar nicht zu bewältigen ist. Das Minimum an Fakten, welches zur Darstellung<br />
der Umweltsituation als ganze erforderlich ist, füllt schon mehrere hundert Seiten.<br />
Diese müssen dann theoretisch fundiert, gewichtet und interpretiert werden, was<br />
mindestens ebensoviel Raum in Anspruch nimmt. An sich wäre es Aufgabe einer Behörde<br />
wie des Umweltbundesamtes, <strong>für</strong> die Dokumentation der Fakten zu sorgen<br />
und sie in einer Art von Umwelt-Jahrbuch periodisch zu publizieren. Dann würde<br />
dies zeitraubende Geschäft durch eingearbeitete Beamte routinemäßig erledigt, anstatt<br />
wie bei der bestehenden Regelung von den Ratsmitgliedern oder vielmehr deren<br />
wissenschaftlichen Assistenten in Heimarbeit und überstunden zusammengestoppelt<br />
werden zu müssen. Die Danksagungen im Vorwort an die Mitarbeiter sind verräterisch<br />
und lassen vermuten, welcher Art die Aufgabenteilung in eigentliche Arbeit und<br />
Sprücheklopfen hier wieder einmal gewesen sein mag.<br />
Eine Besprechung aller ökologischen und umwelttechnischen Kapitel des ersten<br />
Hauptabschnittes verbietet sich sowohl aus Gründen des Umfangs wie auch der begrenzten<br />
fachlichen Kompetenz jedes einzelnen. Sobald man auf einem Gebiet etwas<br />
besser Bescheid weiß, findet man natürlich sofort Mängel und Fehler. Der Rezensent<br />
hat z. B. etwas am Problem der CO2-Anreicherung der Atmosphäre gearbeitet und<br />
findet die diesbezüglichen Erörterungen (§§ 220-221) reichlich laienhaft. Ein so<br />
wichtiges Thema muß im Umweltgutachten, sofern man es nicht ganz dem angekündigten<br />
Sondergutachten über Umwelt und Energie überläßt, ausführlicher und korrekter<br />
behandelt werden. Vermutlich kommen andere Spezialisten auf ihren jeweiligen<br />
Gebieten zu ähnlichen Folgerungen. Trotz dieser Mängel, welche nicht zuletzt<br />
aus zeitlicher überforderung der Zuarbeiter resultieren dürften, ist in den technischen<br />
Kapiteln sicher auch auf weiten Strecken solide Arbeit geleistet worden. Alle hier geäußerte<br />
Kritik sollte also keine mit Umweltfragen befaßte Person oder Gruppe davon<br />
abhalten, sich <strong>das</strong> Gutachten zu kaufen. Nirgendwo anders erhält man <strong>für</strong> 16,- DM<br />
so viele Informationen und allein die nützlichen unter ihnen - Tabellen und Fakten<br />
über Schmutz, Gift und Lärm - sind dies Geld wert. Besser wäre es freilich, man<br />
müßte den Rest nicht mitkaufen.<br />
Interessanterweise streift der Rat an einer Stelle seine sonst vorherrschende Betulichkeit<br />
ab und kokettiert geradezu mit Minderheiten, welche vom politischen Establishment<br />
der BRD nicht ohne Grund ge<strong>für</strong>chtet sind. Er widmet 25 Seiten dem<br />
Thema: »Möglichkeiten der Erzeugung fremdstoffarmer Nahrungsmittel im konventionellen<br />
und alternativen Landbau« (§§ 935-1040). Hier wird schonungslos die<br />
Chemisierung der vorherrschenden Landwirtschaft dokumentiert und ein vorsichtig-wohlwollendes<br />
Bild der bisher entwickelten Alternativen mit zahlreichen interessanten<br />
Informationen skizziert, was die Lobbies von Landwirtschaft und Chemieindustrie<br />
in Proteststimmung versetzt haben dürfte. Da unter den Vorwürfen gegen-