das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Zu diesem Heft 171<br />
die westdeutsche Linke erschlossen, als die Zeitschrift noch allein auf weiter Flur war<br />
(1965, mit einer Auflage von 4000). Heute gibt es eine differenzierte Vielfalt von linken<br />
Zeitschriften, viele davon spezialisiert auf bestimmte Themenbereiche. Für eine<br />
allgemeine Zeitschrift wie <strong>das</strong> Argument bleibt die Aufgabe, theoretische Rahmenanalysen<br />
zu entwickeln.<br />
Das Heftthema heißt nicht mehr »Probleme der Entwicklungsländer«, weil wir sie<br />
zunächst auch als unsere Probleme analysieren. Die Einbettung unserer Gesellschaft<br />
in den ökonomischen und politischen Weltzusammenhang gilt es zu untersuchen.<br />
Haugs Beitrag über Eurozentrismus versucht zur fälligen Selbstkritik der europäischen<br />
marxistischen <strong>Theorie</strong> beizutragen. Aus einer Analyse der globalen Kräfteverhältnisse<br />
kommt er zu einer neuen theoretischen Fassung des oft nur plakativ gebrauchten<br />
Begriffs der »Dritten Welt«. Gerhard Haucks Antrittsvorlesung trägt zu<br />
einem besseren Verständnis der unterschiedlichen Typen der kolonial oder neokolonial<br />
abhängigen Produktionsweise bei. Tatjana Chahouds <strong>kritische</strong> Auswertung des<br />
ersten Entwicklungsberichts der Weltbank beleuchtet die Macht- und Wirkungszusammenhänge<br />
auf dem kapitalistischen Weltfinanzmarkt. Der Sinologe Frank Suffa<br />
Friedel, der kürzlich von einer mehrwöchigen Studienreise durch China zurückkehrte,<br />
wertet in seinem Beitrag Bettelheims Abrechnung mit der chinesischen Politik aus.<br />
Bettelheim war ein kritikloser Anhänger der chinesischen Linken; nach ihrem Sturz<br />
unterzog er aber nicht nur die Politik der jetzt an die Macht gekommenen Richtung<br />
einer scharfen Kritik, sondern nachträglich auch die linke Politik, deren Niederlage er<br />
zu begreifen versuchte. Nach langer Schwärmerei bringt dieser Text Momente der<br />
Wahrheit. Suffa-Friedel bereitet einen weiteren Artikel zur Frage der Einschätzung<br />
der ökonomischen und innenpolitischen Entwicklung Chinas <strong>für</strong>'s Argument vor.<br />
Aus Platzgründen mußten zwei Beiträge verschoben werden: Paul Josephs Analyse<br />
der Strategien der herrschenden Klasse der USA gegenüber der Dritten Welt und der<br />
politischen Einstellung der US-amerikanischen Arbeiterklasse zur Politik des Imperialismus.<br />
Wir bringen diesen Beitrag, weil er den Gerüchten vom korrupten Einverständnis<br />
einer bestochenen »Arbeiteraristokratie« mit Ausbeutung und Gewaltanwendung<br />
gegenüber den schwächeren Ländern empirisch zu Leibe rückt und sie<br />
ins Reich bloßer Phantasie verweist. Desgleichen mußte ein Exkurs zum Aufsatz von<br />
Haug über »Das Problem des Eurozentrismus bei Bahro und Dutschke« verschoben<br />
werden. Wir setzen daher den Schwerpunkt »Dritte Welt und Erste Welt" u. a. mit<br />
diesen beiden Texten im nächsten Heft fort. In einem der nächsten Hefte wird auch<br />
die Rubrik »Arbeitergeschichtsschreibung« fortgeführt.<br />
Eines der Hauptprobleme <strong>für</strong> die Erforschung des »Stalinismus« besteht darin, den<br />
Zusammenhang von ökonomischer Problem lage, Bewegung der Massen und ihrer<br />
politischen Steuerung von oben durch Staat und Partei so zu rekonstruieren, daß dabei<br />
<strong>das</strong> Verhältnis von Notwendigkeit und Dysfunktionalität stalinistischer Politik<br />
wissenschaftlich bestimmt werden kann. Lorenz arbeitet die Seite der Dystunktionalität<br />
anhand des politischen Terrors in den 30er Jahren heraus und nötigt uns dazu, <strong>das</strong><br />
Problem in voller Kenntnis der blutigen Tatsachen zu untersuchen. Das ist <strong>für</strong> die<br />
Linke besonders wichtig: nur wenn wir auch die schmerzhaften Tatsachen von uns<br />
aus anpacken und verarbeiten, können wir ihrer antikommunistischen Ausschlachtung<br />
wirksam entgegentreten.<br />
Gert Meyer forderte in seinem programmatischen Aufsatz dazu auf, »die Prozesse<br />
und Repressionen der 30er Jahre ( ... ) nicht zu exkulpieren, sondern in historischwissenschaftlicher<br />
Analyse aus den Besonderheiten des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses<br />
zu erklären« (Argument 108, 203). Inwiefern Lorenz' These dazu beiträgt,<br />
muß im Fortgang der Untersuchungen geprüft werden.<br />
(Fortsetzung auf Seite 331)