das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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210 Tatjanä Chahoud<br />
delshemmnisse betroffenen Produkte/Branchen eher zu- als abnimmt, werden Industrieländer<br />
und Entwicklungsländer sleichermailen ermahnt, an den "bewährten«<br />
Prinzipien des Freihandels bzw. dem komparativen Kontentheorem festzuhalten<br />
(20). Im Klartext impliziert diese Strategie <strong>für</strong> die Entwicklungsländer eine forcierte<br />
Exportorientierung, m. a. W. die Ausrichtung der Produktionsstruktur nicht auf die<br />
Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung, sondern .mf jene des \X' eltmarktes und dies sogar<br />
trotz der .,ich hier abzeichnenden Verschlechterung der Realisierungsperspektiven!<br />
Daß es sich bei diesem Konzept keineswegs um eine gezielte Strategie im Interesse<br />
der ökonomisch scl1\\'ach entwickelten Länder handelt, sondern <strong>das</strong> Wohl der westlichen<br />
Industriehnder der Tendenz nach sogar yerstärkt Berücksichtigung findet, läßt<br />
sich nicht nur theoretisch aus der \'('irkungsweise des komparati'-en Kostentheorems<br />
ableiten, sondern wird darüber hinaus aus den Hinweisen des Berichtes deutlich, die<br />
in einer abnehmendetl Exportorientierung seitens der Entwicklungsländer potentiell<br />
eine Verminderung der Deyiseneinnahmen sehen, was schließlich in reduzierter<br />
Schuldendienstfähigkeit resultiere und v. a. die Industrieländer (sie!) infolgedessen<br />
mit Absatzeinbußen konfrontieren w:irde (19)!<br />
'Ve'ie wenig es der \Veltbank andererseits um gesicherte Exporterlöse der Entwicklungsländer<br />
geht, dokumentiert sich, wenn Ju-:h typischerweisl' nicht explizit, sondern<br />
nur implizit: obwohl auf die Problematik fluktuierender Rohstoffpreise an di<br />
\'ersen Stellen des Berichtes Bezug genommen wird, werden die diesbezüglichen Forderungc:n<br />
der Entwicklungsländer im Rahmen der NW\X'O wie »Integriertes Rohstoffprogramm«,<br />
"Gemeinsamer Fonds« nicht einmal erwähnt!<br />
Wenn der Weltentwicklungsbericht somit auf der Ebene der internationalen Wirtschaftsbeziehungen<br />
den Entwicklungsländern keine realen Alternativen anzubieten<br />
nrmag, bleibt aber weiterhin Zl! klären, welcht' konkreten Entwicklungsperspekti<br />
Yen <strong>für</strong> die Masse der in »absoluter Armut" lebenden Bevölkerungsteile sich ergeben.<br />
Anhand von Modellberechnungen kommt die \\' eltbank zu dem Ergebnis, daß selbst<br />
unter der (optimistischen) Annahme, daß die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate<br />
des BIP im Zeitraum 1975-2000 in den Entwicklungsländern bei 5,7% liege, die Zahl<br />
der in absoluter Armut lebenden während dieser Phase voraussichtlich kaum abnimmt,<br />
konkret von derzeitig ca. 800 Millionen allenfalls auf ca. 600 Millionen gesenkt<br />
werden könne (38)!<br />
Als Begründung <strong>für</strong> diese deprimierenden Perspektiven führt der Bericht primär<br />
die bedrohliche BC\'ölkerungsexplosion an. Diese bekannte These ist aus verschiedenen<br />
Gründen llnhaltbar. Nicht nur, dag die Bevölkerungscntwicklung hier biologisierend<br />
als gesellschaftlich unabhängige Variable betrachtet wird; ,or allem ein Blick<br />
auf die Geschichte der Bevölkerungsbewegung der heutigen Industrieländer vor ca.<br />
150 Jahren zeigt, daß auch hier <strong>das</strong> Gleichgewicht zwischen Geburtenrate utld Sterberate<br />
vorübergehend nicht gegeben war. Die Sterberate ging gerade zu dem Zeitpunkt<br />
spürbar zurück, als die Industrialislerung und der technische Fortschritt allgemein<br />
sich ausbreiteten. Bevölkel'ungswachstum, Dynamisierung der W"irtschaft und medizinisch-technischer<br />
Fortschritt verliefen .11so parallel.<br />
Anders in den heutigen Entwicklungsländern, wo <strong>das</strong> Sinken der Sterberate auf die<br />
exogenen Einflü%e des medizinischen Forts,:hritts zurückzuführen ist und vor allem<br />
eine umfassende Dynamisierung der Wirtschaft bislang ausgeblieben ist, d. h. die