das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Ökonomie 323<br />
bei ihr die Rechtsprechung über Streik und Aussperrung zu Diensten war (182,282,<br />
301 H.). Die IG Metall verhielt sich defensiv (332,337), u. a. unter Rücksicht auf ihre<br />
Finanzen, die einer möglichen Ausweitung eines Streiks über <strong>das</strong> Tarifgebiet Nordwürttemberg-Nordbaden<br />
entgegenstanden. Meyer resümiert (341): »Eine Mobilisierung<br />
aller Mitglieder, zügige Verhandlungsführung, schnelle Organisierung des<br />
Streiks ... und sofortige Einleitung weitergehender Kampfrnaßnahmen bei Bekanntwerden<br />
des Aussperrungsbeschlusses, Organisierung breiter Solidaritätsaktionen<br />
in anderen Tarifgebieten bis hin zur Ausdehnung des Streiks auf ein anderes geeignetes<br />
Tarifgebiet, z. B. Hamburg - eine solche Vorgehensweise hätte unter Berücksichtigung<br />
aller Umstände mit hoher Wahrscheinlich die Metallindustriellen zum<br />
Rückzug genötigt, den Kampf verkürzt und zu einem günstigeren Abschluß geführt.«<br />
Dennoch gehört zu einer Beurteilung eines großen Streiks mehr als die Gewichtung<br />
seines materiellen Ergebnisses, weshalb sich Meyer mit den organisatorischen, ideologischen<br />
und politischen Auswirkungen des Streiks befaßt. Im Organisatorischen<br />
spricht sie von einem »Teilsieg« der IG Metall, weil es Gesamtmetall nicht gelungen<br />
sei, die Metallarbeiter (und -angestellten) einzuschüchtern, gegen die IG Metall aufzubringen<br />
und die Streikfront zu spalten; im Gegenteil verhielten sich gerade die Angestellten<br />
(mit Einschränkungen), die ausländischen Beschäftigten und sogar die Unorganisierten<br />
vorbildhaft solidarisch, was nicht zuletzt in einem sprunghaften Anstieg<br />
der Mitgliederzahlen der IG Metall (349), aber auch in einer wachsenden Beitragsehrlichkeit<br />
zum Ausdruck kam (335). Trotz bedeutender Fortschritte konstatiert Meyer<br />
- zu Recht - einen eklatanten Widerspruch »zwischen der hohen Kampfmoral der<br />
Streikenden und ihrer gleichzeitigen politischen Orientierungslosigkeit« (352), was<br />
die These stütze, »daß politisches Klassenbewußtsein sich nicht spontan aus ökonomischen<br />
Kämpfen entwickeln kann, weil die inneren Bewegungsgesetze der kapitalistischen<br />
Gesellschaft an der Oberfläche nicht sichtbar sind« (ebda).<br />
Man muß die Metalltarifrunde 1971 »auch als Bewährungsprobe <strong>für</strong> gewerkschaftliche<br />
Strategie und Taktik unter schwieriger werdenden ökonomischen und politischen<br />
Bedingungen betrachten«, unter denen »die Wahrung des sozialen Besitzstandes<br />
und die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit im Vordergrund« stehen (8). Diese<br />
Bedingungen waren auch in jüngster Zeit beim Streik der Drucker (1976) und der Hafenarbeiter<br />
und der nordwürttembergisch-nordbadischen Metaller (1978) gegeben,<br />
bei denen viele Parallelen zum Metallerstreik 1971 zu ziehen sind. - Regine Meyers<br />
Arbeit gehört in die Hand aktiver Gewerkschafter und des erfreulich großen Teils der<br />
Intelligenz, der sich in den letzten Jahren auf der demokratischen Seite formiert hat.<br />
Matthias Dohmen (Wuppertal)<br />
Jungk, Robert: Der Atomstaat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit.<br />
Kindler Verlag, München 1977 (244 S., br., 19,80 DM).<br />
Jungk hat seine Ausführungen »in Angst und Zorn geschrieben. In Angst um den<br />
drohenden Verlust von Freiheit und Menschlichkeit. In Zorn gegen jene, die bereit<br />
sind, diese höchsten Güter <strong>für</strong> Gewinn und Konsum aufzugeben.« (X f.). Jungk zielt<br />
vor allem darauf ab, diejenigen Gefahren eines expansiven Ausbaus der Atomindustrie<br />
vor Augen zu führen, die jenseits der technischen Risiken und ökologischen Gefährdungen<br />
die demokratischen Errungenschaften einer Gesellschaft bedrohen. Im<br />
»Atomstaat« werden die Orwellschen Visionen von 1984 Wirklichkeit. Daß es genügend<br />
Anzeichen <strong>für</strong> eine Entwicklung dorthin gibt und ein entschlossenes Eintreten<br />
dagegen geboten ist, wird mit einer Fülle von Belegen verdeutlicht.