Wegweiser zur Geschichte: Afghanistan - MgFa
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II. Strukturen und Lebenswelten<br />
einer Umverteilung der natürlichen Ressourcen. Auf der Gewinnerseite<br />
fanden sich die paschtunischen Kolonisten, während die<br />
vormalige usbekische Elite zu den Verlierern dieses Prozesses<br />
gehörte. Die historischen Entwicklungen lösten im Nordosten<br />
<strong>Afghanistan</strong>s Konkurrenzverhältnisse zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen<br />
aus, die sich im Lauf der Zeit bis hin zu Bürgerkrieg,<br />
Flucht und Vertreibung auswuchsen und schließlich in<br />
die spätere Rückkehr an die angestammten Wohnsitze mündete,<br />
die aber zwischenzeitlich längst neu vergeben waren.<br />
Die Region erlebte im Krieg einerseits großräumige Machtverschiebungen,<br />
andererseits aber strien sich feindlich gesinnte<br />
Gruppierungen um die Kontrolle einzelner Dörfer. Mit der<br />
Zeit verfestigten sich daher bei den Bewohnern Vorstellungen<br />
von kleinräumlichen Gliederungen sowie ein lokal deutlich abgegrenztes<br />
Selbstverständnis, die bis heute fortbestehen. Neben<br />
der örtlichen Orientierung der ländlichen Bevölkerung, geprägt<br />
durch klassische Patron-Klientel-Verhältnisse, baut eine kleine<br />
Machtelite überregionale Netzwerke auf.<br />
Die Beispiele von Paktia und Kundus offenbaren erhebliche<br />
strukturelle Unterschiede innerhalb <strong>Afghanistan</strong>s. In Paktia hält<br />
eine verhältnismäßig gleichgesinnte und gut funktionierende<br />
Stammesgesellscha das Machtstreben einzelner politischer Akteure<br />
unter Kontrolle und scha so bei der lokalen Bevölkerung<br />
eine gewisse Erwartungssicherheit. Warlords haben es unter solchen<br />
Bedingungen schwer, eigenständige Strukturen aufzubauen.<br />
In Kundus hingegen ist die Gesellscha bei näherem Hinsehen<br />
in zahlreiche Gruppen und Untergruppen aufgespliert.<br />
Verbindende Institutionen sind nur schwach ausgeprägt und<br />
nicht allgemein akzeptiert. Dementsprechend kämp hier eine<br />
Vielzahl kleiner bis milerer Machthaber um Einfluss. Erhebliche<br />
örtliche Unterschiede bezüglich Sozialstruktur, ethnischer<br />
Zuordnung und Kultur begünstigen die Ausbildung verschiedenster<br />
Formen des sozialen Zusammenlebens wie auch von<br />
Konfliktlösungsmechanismen.<br />
Solche Unterschiede über die ethnische Zugehörigkeit allein<br />
erklären zu wollen, grei zu kurz. Entscheidend sind vielmehr<br />
Faktoren wie Sozialstruktur, verfügbare wirtschaliche Ressourcen<br />
und deren Verteilung sowie fallweise auch die Rolle des af-<br />
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