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Wegweiser zur Geschichte: Afghanistan - MgFa

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Facetten des Islams in <strong>Afghanistan</strong><br />

Eine Politisierung des Islams, die im Aufruf zum Kampf<br />

gegen eine Herrscha von Ungläubigen (Kofar) mündet, ist in<br />

der <strong>Geschichte</strong> <strong>Afghanistan</strong>s eine vergleichsweise junge Erscheinung.<br />

Eingeleitet wurde sie durch die drei Anglo-Afghanischen<br />

Kriege (vgl. den Infokasten auf S. 30). Die Niederlagen, die das<br />

Empire in diesen militärischen Auseinandersetzungen erleiden<br />

musste, verlieh dem Glaubenskampf (Dschihad) eine nachhaltige<br />

politische Kra. In den innenpolitischen Konflikten des 20. Jahrhunderts<br />

wurde diese Kra immer dann mobilisiert, wenn Reformbemühungen<br />

auch auf Fragen ausgedehnt wurden, die als<br />

wichtige, wenn auch o nur als äußerliche Kennzeichen eines<br />

gogefälligen Lebens galten. Wie beim Verhüllungsgebot für<br />

Frauen wurden Merkmale einer islamischen Lebensweise dadurch<br />

zu politischen Symbolen. Das vergleichsweise offene Leben<br />

in der Landeshauptstadt entfernte sich immer mehr vom konservativen<br />

Milieu des ländlichen Raums, wo sich meistens religiös<br />

begründeter Widerstand formierte. Im Kampf gegen die sowjetische<br />

Invasion erfuhr die Politisierung des Islams eine wachsende<br />

Internationalisierung, die sich nicht nur in der ausländischen<br />

Unterstützung für die Glaubenskämpfer (Mudschaheddin) zeigte.<br />

Afghanische Mudschaheddin werteten den Zerfall der Sowjetunion,<br />

der bald nach dem Abzug ihrer Truppen aus <strong>Afghanistan</strong><br />

erfolgte, und sogar den Fall der Berliner Mauer als eigenes politisches<br />

Verdienst und sahen sich selbst in den weltpolitischen<br />

Auseinandersetzungen immer mehr als »Global Player«.<br />

Die von weiten Bevölkerungsteilen als fremd empfundene<br />

Auslegung und Praktizierung des Islams während der Herrscha<br />

der Taliban, die welt- und innenpolitischen Folgen der Aentate<br />

vom 11. September 2001 und die allgemeine Kriegsmüdigkeit<br />

führten diesbezüglich zu einer Ernüchterung, sodass das Wort<br />

»Mudschahed«im afghanischen Sprachgebrauch heute weniger<br />

»Glaubenskämpfer« als vielmehr »Räuber«, »Wegelagerer« und<br />

»Verbrecher« bedeutet. Bestehen bleiben der Wunsch nach einer<br />

nationalen Unabhängigkeit, die nicht nur auf dem Papier gegeben<br />

ist, und das Bestreben, alle Fragen des alltäglichen Lebens in<br />

einer Weise zu regeln, die den meisten Menschen trotz religöser<br />

Wurzeln schlichtweg als naturgegeben erscheint.<br />

Lutz Rzehak<br />

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