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Wegweiser zur Geschichte: Afghanistan - MgFa

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II. Strukturen und Lebenswelten<br />

194<br />

Ursprünge<br />

Ein wichtiges Fundament der paschtunischen Kultur bildet bis<br />

in die Gegenwart die Stammesstruktur, deren Entstehung und<br />

historische Entwicklung ebenfalls in zahlreichen Legenden überliefert<br />

wird. So sehen sich alle Paschtunen als Nachfahren eines<br />

gewissen Kais, der nach mehrheitlicher Überzeugung zu Zeiten<br />

des Propheten gelebt haben soll. Einer Überlieferung zufolge,<br />

die in letzter Zeit allerdings politisch unbequem erscheint und<br />

deshalb seltener vergegenwärtigt wird, erheben die Paschtunen<br />

sogar Anspruch auf eine jüdische Abstammung. So soll Kais<br />

über einen gewissen Malik Afghan von Malik Talut abstammen,<br />

der mit Saul, dem ersten König Israels, identifiziert wird. Nach<br />

dieser Überlieferung gehörte Kais zu jenen Stämmen Israels,<br />

die seit der babylonischen Gefangenscha im 6. vorchristlichen<br />

Jahrhundert als verschollen gelten.<br />

Es ist nicht wichtig, dass diese Überlieferung weder durch<br />

andere historische Quellen noch durch sprachwissenschaliche<br />

Erkenntnisse gedeckt wird, denn sie möchte in erster Linie einem<br />

Geschichtsbild gerecht werden, nach dem historische Größe vor<br />

allem aus der Verwurzelung in historischer Tiefe hergeleitet<br />

wird. Als Kais, dem Aufruf des Propheten folgend, zum Islam<br />

übertrat, nahm er, wie es Konvertiten auch heute noch tun, einen<br />

arabischen Namen an und nannte sich fortan Abdurraschid, was<br />

in etwa »Sklave des Mutigen oder Tapferen« bedeutet. Mit seiner<br />

Frau hae Kais alias Abdurraschid drei Söhne, nämlich Sarbun,<br />

Gurgescht und Beitan, die zu Begründern dreier großer Stammesverbände<br />

wurden. Als Ahnherr eines vierten Verbandes gilt<br />

ein gewisser Karlan, der aber selbst kein Paschtune gewesen sein<br />

soll, sondern als Findelkind von einem Paschtunen großgezogen<br />

wurde und später die Tochter seines Ziehvaters heiratete.<br />

Ähnliche Legenden belegen, wie die Nachkommen dieser Urväter<br />

zu Begründern und Anführern kleinerer Stammlinienverbände<br />

wurden, sodass jeder Paschtune im Idealfall auch heute<br />

noch nachzeichnen kann, über welche Verbindungsglieder, die<br />

stets der väterlichen Linie folgen, er mit dem gemeinsamen Vorfahren<br />

aller Paschtunen verwandt ist. Über diese Verbindungsglieder<br />

lassen sich je nach Generationstiefe soziale Gruppen<br />

unterschiedlicher Größe definieren, die uns heute als Stammes-

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