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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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wären das die »Etablierten« (Elias/Scotson<br />

1965). Für den, <strong>der</strong> nicht dazugehört, ist die<br />

Hürde zur Partizipation kaum zu überwinden.<br />

Er geht nicht zu Bürgerversammlungen,<br />

er nimmt an keiner Planungswerkstatt<br />

teil <strong>und</strong> er geht auch nicht zum Straßenfest<br />

in <strong>der</strong> Siedlung.<br />

Mit geringem Sozialvertrauen <strong>und</strong> wenig<br />

Selbstvertrauen ausgestattete Personen<br />

kalkulieren den Nutzen sozialer <strong>und</strong> politischer<br />

Partizipation in <strong>der</strong> Logik des kosten<strong>und</strong><br />

nutzenabwägenden »homo oeconomicus«.<br />

Sie vertrauen bzw. vertrauen in <strong>der</strong><br />

Regel nicht, nachdem sie eine Bilanz ihrer<br />

im Vergleich zu an<strong>der</strong>en, gestaltungsoptimistischeren<br />

Akteuren notorisch untertriebenen<br />

Gewinnerwartungen <strong>und</strong> ihrer<br />

notorisch übertriebenen Verlusterwartungen<br />

angestellt haben.<br />

In diesem Entscheidungsumfeld bieten<br />

eigentlich nur solche Veranstaltungen eine<br />

hinreichende Chance <strong>der</strong> Partizipation, die<br />

den Menschen einen unmittelbaren, kurzfristig<br />

erwartbaren Nutzen versprechen <strong>und</strong><br />

das Risiko, enttäuscht zu werden, denkbar<br />

gering halten. Dabei ist nach den dargelegten<br />

theoretischen Überlegungen auch ein<br />

geringer Nutzen durchaus motivierend,<br />

wenn das Risiko des Scheiterns (L) nur<br />

klein genug <strong>und</strong> am besten nahe Null o<strong>der</strong><br />

gleich Null ist.<br />

Was den Bewohnern so nützlich erscheint,<br />

dass es sie zur Beteiligung motivieren kann,<br />

ergibt sich aus <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> von ihnen empf<strong>und</strong>enen<br />

Mängel <strong>und</strong> Engpässe in ihrer<br />

Lebenslage. Die primären Engpässe sind<br />

persönliche Armut <strong>und</strong> schlechte Qualität<br />

<strong>der</strong> Wohnung <strong>und</strong> des Wohnumfeldes. Ein<br />

Bürgerzentrum o<strong>der</strong> ein Stadtteilladen sind<br />

zwar Einrichtungen, die für die Beseitigung<br />

dieser Engpässe primär nützliche Aktivitäten<br />

mo<strong>der</strong>ieren <strong>und</strong> koordinieren können,<br />

selbst unmittelbar nützlich für die »Außenseiter«<br />

sind sie aber nicht. Es gibt kein primäres<br />

Bedürfnis nach Kontakt zu Fremden<br />

im Armutsmilieu. Kontakte wünscht nur,<br />

wer sozial integriert ist. Offene Angebote<br />

<strong>der</strong> Partizipation eröffnen den ausgegrenzten<br />

Akteuren keinen primären, unmittelbar<br />

<strong>und</strong> kurzfristig erreichbaren Nutzen <strong>und</strong><br />

werden deshalb von ihnen nicht angenommen.<br />

Das Gleiche gilt für Beratungs- <strong>und</strong><br />

Bildungsangebote, die auf eher langfristig<br />

eintretende Verbesserungen setzen <strong>und</strong><br />

damit den Planungshorizont <strong>und</strong> die Perspektive<br />

von Menschen, die vielfach »von<br />

<strong>der</strong> Hand in den M<strong>und</strong> leben«, falsch einschätzen<br />

(Tobias/Böttner 1992).<br />

Auch wenn das zunächst paradox klingt:<br />

Eine För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sozialen Partizipation<br />

<strong>und</strong> damit in Verbindung stehend eine Verbesserung<br />

<strong>der</strong> sozialen Beziehungen <strong>der</strong><br />

Bewohner armer Viertel, die Steigerung <strong>der</strong><br />

Identifikation mit dem Stadtteil <strong>und</strong> seiner<br />

Menschen, die Schöpfung sozialer Netzwerke,<br />

aus denen neue Solidarpotentiale<br />

erwachsen können, erreicht man vielmehr<br />

durch Maßnahmen <strong>und</strong> Veranstaltungen,<br />

die den Menschen einen kurzfristig eintretenden<br />

persönlichen Nutzen bringen. Projekte<br />

mit dem Ziel <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong><br />

individuellen wirtschaftlichen Lage, <strong>der</strong><br />

Verbesserung <strong>der</strong> Wohnverhältnisse o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Wohnumfeldbedingungen setzen am<br />

wenigsten soziale Integration voraus. Sie<br />

sind gleichzeitig geeignet, sowohl individuelle<br />

Erfolgserlebnisse zu vermitteln als auch<br />

nebenbei soziale Vernetzungen <strong>der</strong> Bewohner<br />

zu schaffen, die Voraussetzung jedwe<strong>der</strong><br />

weiteren öffentlichen <strong>und</strong> politischen<br />

Partizipation sind. Hier kann in <strong>der</strong> Tat <strong>der</strong><br />

postulierte Dreischritt von Vertrautheit,<br />

Sozialvertrauen <strong>und</strong> Personvertrauen einsetzen.<br />

Bei geringem Risiko <strong>und</strong> relativ<br />

sicher zu erwartendem (auch geringem)<br />

Nutzen investieren auch misstrauische <strong>und</strong><br />

apathische Akteure zunächst blanko Personvertrauen.<br />

In den damit einsetzenden<br />

sozialen Beziehungen entsteht quasi<br />

nebenbei – <strong>und</strong> nicht nur im Erfolgsfall –<br />

Vertrautheit mit den Menschen in <strong>der</strong><br />

Umgebung, aus <strong>der</strong> sich eine gesteigerte,

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