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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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liche <strong>und</strong> private Hilfsangebote. Typisch sei<br />

eine »Kultur des Borgens« gewesen.<br />

Diese Strukturen verschwanden mit einer<br />

allmählichen Abwertung klassischer Industriearbeit<br />

sowie steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />

Die Arbeiterviertel <strong>der</strong> industriellen Großstadt<br />

sind die Arbeitslosenviertel zu Beginn<br />

des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Dort lebe, so Strohmeier,<br />

eine »Unterklasse <strong>der</strong> Dienstleistungsgesellschaft«.<br />

Während die Bewohner<br />

<strong>der</strong> proletarischen Viertel einst von beson<strong>der</strong>er<br />

Disziplin geprägt gewesen seien, fehle<br />

diese heute – <strong>und</strong> während viele Eltern<br />

ihren Kin<strong>der</strong>n früher großen Bildungsehrgeiz<br />

weitergegeben hätten, sei dies inzwischen<br />

nicht mehr selbstverständlich. Hinzu<br />

kommt vielfach materielle Not, in den innerstädtischen<br />

Vierteln <strong>der</strong> Ruhrgebietsstädte<br />

bezieht etwa jedes dritte Kind unter sechs<br />

Jahren Sozialhilfe.<br />

Strohmeier schil<strong>der</strong>t unterschiedliche Politikansätze<br />

für die Integration <strong>der</strong> nachwachsenden<br />

Generation, er beruft sich dabei vor<br />

allem auf Untersuchungen des Zentrums für<br />

interdisziplinäre Regionalforschung an <strong>der</strong><br />

Ruhr-Universität Bochum (ZEFIR). Stadtteilkonferenzen,<br />

Straßenfeste o<strong>der</strong> auch an<strong>der</strong>e<br />

Projekte setzten häufig auf eine Bereitschaft<br />

zur Beteiligung, die in den sozial schwierigen<br />

Milieus nicht gegeben sei. Doch Partizipation<br />

setze Integration voraus, <strong>und</strong> Engagement<br />

für die Gemeinschaft sei in <strong>der</strong> Denkweise,<br />

die in <strong>der</strong> »Unterstadt« verbreitet sei,<br />

nur wenig rational.<br />

Nötig seien deshalb zunächst Programme,<br />

die Vertrauen stiften. Entscheidend ist, dass<br />

Bürger die Erfahrung machen, dass Engagement<br />

sich lohnt. Dafür sollte die Hemmschwelle<br />

zum Mitmachen möglichst klein<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Nutzen offensichtlich <strong>und</strong> schnell<br />

erlebbar sein. Wenn solche Projekte erfolgreich<br />

laufen, das Engagement also »erlernt«<br />

wurde, sind weitere Schritte sinnvoll. Eine<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Stadtteile sei kaum möglich<br />

ohne Vertrauen <strong>der</strong> Bürger in eigenes <strong>und</strong><br />

fremdes Handeln. Dies sei aber nur mit langem<br />

Atem erreichbar. Diese Einschätzung<br />

teilt Strohmeier mit Heinz Buschkowsky, <strong>der</strong><br />

ebenfalls betont, mit Projektpolitik – ein<br />

Straßenfest hier, eine Stadtteilzeitung dort –<br />

könne für die Integration benachteiligter<br />

Stadtteile wenig erreicht werden.<br />

In wohlhabenden Gegenden ist das etwas<br />

an<strong>der</strong>s. Volker Hassemer zeigte am Beispiel<br />

des kin<strong>der</strong>reichen Berliner Stadtteils Prenzlauer<br />

Berg, dass eine kin<strong>der</strong>fre<strong>und</strong>liche<br />

Umgebung nicht unbedingt gleichzusetzen<br />

ist mit umfassenden staatlichen Angeboten.<br />

Gerade in Stadtteilen mit überdurchschnittlich<br />

gebildeten <strong>und</strong> engagierten Eltern sei<br />

es wichtig, Eigeninitiative bei Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

<strong>und</strong> Schulen zu unterstützen. Diese<br />

Klientel erwarte <strong>und</strong> brauche nicht unbedingt<br />

»den fürsorglichen Staat«, so Hassemer.<br />

Tatsächlich gibt es vermutlich in ganz<br />

Europa nur wenig Stadtquartiere, in denen<br />

so viele Bewohner selbst Angebote für Kin<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Familien schaffen. Neben kommerziellen<br />

Angeboten wie einem »Kin<strong>der</strong>wagen-<br />

Kino« mit Vorführungen für Eltern mit Kin<strong>der</strong>n<br />

im Stillalter o<strong>der</strong> »Spielecafés« mit<br />

integrierten Klettergerüsten organisieren<br />

Vereine <strong>und</strong> Bürger Aktionen wie das regelmäßig<br />

stattfindende »Papapicknick«, zu dem<br />

sich Väter mit kleinen Kin<strong>der</strong>n im sogenannten<br />

Mauerpark nahe <strong>der</strong> früheren<br />

innerdeutschen Grenze treffen.<br />

Insgesamt muss Familienpolitik für die<br />

Kommunen also vor allem vielfältiger werden<br />

– Hartmut Häussermann nennt es »postfordistisch«<br />

in Anlehnung an die Fertigungsprinzipien<br />

<strong>der</strong> industriellen Massenproduktion.<br />

Es reicht also offensichtlich nicht, die<br />

kommunale Ebene zu stärken – die Kommunen<br />

brauchen auch die Möglichkeit, innerhalb<br />

ihres Einflussbereiches zwischen verschiedenen<br />

Bevölkerungsgruppen stärker<br />

als bisher zu differenzieren.<br />

Hartmut Häussermann beschreibt in seinem<br />

Beitrag den Prozess, <strong>der</strong> sich in den meisten

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