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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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46 47 III. Für eine neue Familienpolitik<br />

die Familienform <strong>der</strong> neolokalen Gattenfamilie<br />

entwickelt (Mitterauer 2004), in <strong>der</strong><br />

sich das junge Paar aus dem Elternhaus von<br />

Vater <strong>und</strong> Mutter löst <strong>und</strong> einen eigenen<br />

Hausstand begründet, wohingegen in Südeuropa<br />

<strong>und</strong> Südosteuropa Lebensformen<br />

bestanden <strong>und</strong> teilweise noch bestehen, in<br />

denen das junge Paar zu den Eltern des<br />

Mannes zieht o<strong>der</strong> zumindest in die Nähe<br />

<strong>der</strong> Eltern. Diese traditionelle Lebensform,<br />

in <strong>der</strong> sich die Rolle des Vaters <strong>und</strong> Mannes<br />

aufgr<strong>und</strong> kultureller Traditionen deutlich<br />

von <strong>der</strong> westeuropäischen Tradition unterscheidet,<br />

auch mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass die<br />

Teilnahme <strong>der</strong> Frauen am öffentlichen<br />

Leben in diesen familiären Lebensformen<br />

eher abgelehnt wird, existiert heute in<br />

Deutschland neben familiären Lebensformen,<br />

die wir als traditionell bezeichnen,<br />

weil sie dem Modell <strong>der</strong> neolokalen Gattenfamilie<br />

entsprechen. Neben diesen Familienformen,<br />

teilweise bedingt durch die mo<strong>der</strong>nen<br />

Mobilitätsprozesse, haben sich zudem<br />

Lebensformen entwickelt, in <strong>der</strong> die Partner<br />

keinen gemeinsamen Haushalt gründen,<br />

aber durchaus eine eheähnliche Beziehung<br />

führen, das sogenannte Living-Apart-<br />

Together (Pinnelli/Hoffmann-Nowotny/Fux<br />

2001), das einige Autoren als eine wichtige<br />

zukünftige Lebensform mo<strong>der</strong>ner mobiler<br />

Menschen interpretieren.<br />

1.2 Heterogenität <strong>und</strong> Teilhabe<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ung für eine mo<strong>der</strong>ne<br />

Familienpolitik angesichts <strong>der</strong> hier nur<br />

knapp skizzierten Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> familiären<br />

Lebensformen mit ihrer zunehmenden<br />

Heterogenität liegt darin, Rahmenbedingungen<br />

zu entwickeln, die die Stärken<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Lebensformen akzeptieren<br />

helfen. Gleichzeitig sollten sie jedoch<br />

sicherstellen, dass ganze Gruppen von<br />

Zuwan<strong>der</strong>ern nicht aufgr<strong>und</strong> ihrer familiären<br />

Lebensformen von <strong>der</strong> aktiven Teilhabe<br />

an Nachbarschaft, Gemeinde <strong>und</strong> <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Entwicklung ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Eine zweite Herausfor<strong>der</strong>ung für die<br />

mo<strong>der</strong>ne Familienpolitik liegt darin, den<br />

Menschen, die aufgr<strong>und</strong> von gesellschaftlichen<br />

Wandlungsprozessen aus ihrem konkreten<br />

Kontext von Nachbarschaft, Familie<br />

<strong>und</strong> Gemeinde herausgelöst sind, die Möglichkeit<br />

zu geben, sich wie<strong>der</strong>um auch als<br />

Teil ihrer neuen Nachbarschaft <strong>und</strong><br />

Gemeinde zu erleben. Das gilt nicht nur für<br />

Zuwan<strong>der</strong>er aus den weniger entwickelten<br />

Regionen Europas nach Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />

beson<strong>der</strong>s auch für jene, die wegen<br />

ihrer beruflichen Mobilität mit <strong>der</strong> Situation<br />

konfrontiert sind, in ihrem jeweiligen neuen<br />

Kontext neue Beziehungen aufbauen zu<br />

müssen.<br />

Lange Zeit hat die deutsche Gesellschaft<br />

geglaubt, diese Prozesse <strong>der</strong> Integration ließen<br />

sich dadurch lösen, dass sich die<br />

Zuwan<strong>der</strong>er, was auch immer die Gründe<br />

für ihre Migration waren, an die Rituale,<br />

kulturellen Werte <strong>und</strong> Normen <strong>der</strong> Nachbarschaften<br />

<strong>und</strong> Gemeinden anpassen, in<br />

die sie zuwan<strong>der</strong>n. Darin liegt vermutlich<br />

eine <strong>der</strong> größten Illusionen <strong>der</strong> deutschen<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungspolitik über Jahrzehnte hinweg,<br />

obwohl sich Deutschland in diesem<br />

Zeitraum auch durch die Zuwan<strong>der</strong>er in<br />

unglaublicher Weise verän<strong>der</strong>t hat.<br />

Auch ohne folkloristische Konnotation ist<br />

München heute eine Stadt mit oberitalienischem<br />

Flair, mit vermutlich ebenso guten<br />

italienischen Restaurants wie in manchen<br />

Regionen Norditaliens. Hier sind eher politische<br />

Strategien zu nennen, etwa <strong>der</strong> Freien<br />

Hansestadt Hamburg, die ausdrücklich ein<br />

Konzept <strong>der</strong> wachsenden Stadt zur Entwicklung<br />

<strong>der</strong> ökonomischen Struktur Hamburgs<br />

verfolgt <strong>und</strong> Weltoffenheit als Akzeptanz<br />

an<strong>der</strong>er Lebensformen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er kultureller<br />

Muster zur Gr<strong>und</strong>lage des eigenen<br />

politischen Handelns entwickelt hat. Das<br />

Gleiche gilt für an<strong>der</strong>e Städte Deutschlands,<br />

wie etwa Berlin, die viel Geld <strong>und</strong> Energie<br />

darauf verwenden, das Bild einer weltoffenen<br />

Metropole mit einer Fülle <strong>und</strong> Akzep-

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