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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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weisen aber auf zwei strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung hin, die für die<br />

Familienentwicklung in Europa, vor allem<br />

auch in Deutschland, von erheblicher<br />

Bedeutung sind, ohne dass dies etwas mit<br />

<strong>der</strong> Geburtenentwicklung in den jeweiligen<br />

Regionen zu tun hätte.<br />

Wan<strong>der</strong>ungsprozesse führen notwendigerweise<br />

zu einer höheren Heterogenität <strong>der</strong><br />

Bevölkerung in einer Region. Denn in<br />

Gebieten, in denen sich zur alteingesessenen<br />

Bevölkerung neue Bewohner hinzugesellen,<br />

gelten neben den alttradierten <strong>und</strong><br />

kulturell als unverrückbar angesehenen<br />

Werten <strong>und</strong> Normen zunehmend auch<br />

an<strong>der</strong>e Formen des sozialen Verhaltens als<br />

akzeptabel, was meist zu Spannungen zwischen<br />

Zuwan<strong>der</strong>ern <strong>und</strong> alteingesessener<br />

Bevölkerung führt. Das fängt bei den unterschiedlichen<br />

Dialekten an, die Zuwan<strong>der</strong>er<br />

möglicherweise nicht verstehen, gilt weiterhin<br />

für eine bestehende Vereinskultur <strong>und</strong><br />

Formen <strong>der</strong> Religiosität wie aber auch den<br />

persönlichen Umgang miteinan<strong>der</strong>. Westdeutschland<br />

ist seit 1945 in diesem Sinn ein<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungsland, weil die Bevölkerungsentwicklung<br />

zwischen 1945 <strong>und</strong> 1960<br />

wesentlich auch dadurch geprägt war, dass<br />

zuerst aus den früheren Teilen des Deutschen<br />

Reiches in Osteuropa <strong>und</strong> später aus<br />

<strong>der</strong> DDR Menschen zuwan<strong>der</strong>ten, die zur<br />

positiven ökonomischen Entwicklung Westdeutschlands<br />

wesentlich beigetragen <strong>und</strong><br />

die Gesellschaft mit verän<strong>der</strong>t haben.<br />

Bekanntlich ist trotz aller politischen Maßnahmen<br />

<strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Integration <strong>und</strong><br />

des Zusammenwachsens zwischen den alteingesessenen<br />

<strong>und</strong> den zugewan<strong>der</strong>ten<br />

Menschen nicht immer problemlos verlaufen,<br />

vielmehr hat es fast eine Generation<br />

gedauert, bis man sich trotz gleicher Sprache<br />

einigermaßen aneinan<strong>der</strong> gewöhnt<br />

hatte.<br />

Welche große Bedeutung diese Zuwan<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

für Westdeutschland hatten,<br />

lässt sich am Vergleich von Baden-Württem-<br />

berg <strong>und</strong> Sachsen verdeutlichen. Die<br />

Bezirke, die nach 1952 zum gemeinsamen<br />

B<strong>und</strong>esland Baden-Württemberg zusammengefasst<br />

wurden, zählten 1939 fast<br />

ebenso viele Einwohner wie das damalige<br />

Sachsen. Schon um 1950 gab es aber zwischen<br />

beiden Regionen erhebliche Unterschiede<br />

in <strong>der</strong> Bevölkerungsentwicklung.<br />

Verluste in Sachsen stehen Zuwan<strong>der</strong>ungen<br />

im späteren Baden-Württemberg gegenüber<br />

mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass sich Baden-Württemberg<br />

mit heute etwa 11 Millionen Einwohnern<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Freistaat Sachsen mit<br />

etwa 3,9 Millionen Einwohnern bevölkerungsmäßig<br />

vollständig voneinan<strong>der</strong> entfernt<br />

haben. Ohne diesen Zustrom von qualifizierten<br />

<strong>und</strong> hoch motivierten Menschen<br />

wäre die positive ökonomische Entwicklung<br />

Baden-Württembergs nicht zu erklären.<br />

Nicht nur in Baden-Württemberg, son<strong>der</strong>n<br />

auch in an<strong>der</strong>en Teilen Westdeutschlands<br />

ist das Bevölkerungswachstum <strong>der</strong> 1960er<br />

<strong>und</strong> frühen 1970er Jahre auch auf die<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung von »Gastarbeitern« <strong>und</strong> später<br />

auf die Familienzusammenführung<br />

zurückzuführen. Der Untergang <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Fall <strong>der</strong> Mauer haben noch<br />

einmal dazu geführt, dass ein großer Strom<br />

von Menschen aus unterschiedlichen Län<strong>der</strong>n<br />

Osteuropas <strong>und</strong> aus Ostdeutschland<br />

nach Westdeutschland gewan<strong>der</strong>t ist.<br />

Wan<strong>der</strong>ungsprozesse dieser Art führen notwendigerweise<br />

innerhalb einer traditionell<br />

vorgeformten Gemeinschaft, Gemeinde o<strong>der</strong><br />

Nachbarschaft zu Heterogenität <strong>und</strong> Vielfalt,<br />

weil die individuellen Lebensformen, die die<br />

Menschen in ihrer Heimat entwickelt haben,<br />

in <strong>der</strong> neuen Heimat nicht einfach abgelegt<br />

werden. So ist es auch nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />

dass in Westdeutschland, mehr noch als in<br />

Ostdeutschland, unterschiedliche familiäre<br />

Lebensformen nebeneinan<strong>der</strong> existieren,<br />

<strong>der</strong>en Koexistenz vor 30 o<strong>der</strong> 50 Jahren<br />

kaum denkbar erschien: Traditionelle<br />

Lebensformen mit patriarchalen Familienstrukturen<br />

waren in Westeuropa nie heimisch,<br />

denn hier hat sich über Jahrhun<strong>der</strong>te

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