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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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18 19 I. Die Bedeutung <strong>der</strong> kleinen Lebenskreise<br />

allen seinen Bürgern die soziale Sicherheit<br />

gewähren müsse.«<br />

Derartigen Bestrebungen treten die Autoren<br />

<strong>der</strong> Denkschrift mit <strong>der</strong> Feststellung entgegen,<br />

»<strong>der</strong> Plan, alle Menschen ohne Ausnahme,<br />

auch jene, die sich selbst helfen<br />

können, zwangsweise in eine staatlich angeordnete<br />

soziale Sicherheit einzubeziehen«,<br />

sei mit dem Subsidiaritätsprinzip unvereinbar.<br />

Er gefährde auch den Staat, denn es<br />

verleite die Menschen dazu, dem Staat<br />

lediglich mit For<strong>der</strong>ungen gegenüberzutreten.<br />

Die im Solidaritätsprinzip verankerte<br />

wechselseitige Bindung <strong>und</strong> Rückbindung<br />

zwischen dem Einzelnen <strong>und</strong> dem Staat<br />

werde dadurch gestört. Die Verschiebung<br />

<strong>der</strong> Verfügungsgewalt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verantwortung<br />

zugunsten des Staates dürfe folglich<br />

nicht so weit getrieben werden, dass <strong>der</strong><br />

Bereich <strong>der</strong> persönlichen Freiheit <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Raum <strong>der</strong> Verantwortung von Individuen<br />

<strong>und</strong> Familien unerträglich eingeschränkt<br />

werde.<br />

Die Entscheidung zwischen den beiden<br />

Konzepten fällte letztlich <strong>der</strong> B<strong>und</strong>estag im<br />

Jahre 1957 mit seinen Beschlüssen zur<br />

Erneuerung <strong>der</strong> sozialen Systeme nach<br />

Gründung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik. Zwar entsprach<br />

das Konzept, die neue soziale Ordnung<br />

nach den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>der</strong> Subsidiarität<br />

zu gestalten <strong>und</strong> institutionelle Machtkonzentrationen<br />

zu vermeiden, durchaus<br />

dem Gedankengut <strong>der</strong> Union <strong>und</strong> fand auch<br />

in <strong>der</strong> SPD Befürworter. Gleichwohl wurde<br />

es im Zuge <strong>der</strong> Neuordnung nicht weiter<br />

verfolgt. Der Gedanke, mit Hilfe einer<br />

umfassenden Sozialpolitik <strong>der</strong> Befriedung<br />

des Volkes zu dienen <strong>und</strong> sein Vertrauen in<br />

die neue, noch nicht gefestigte demokratische<br />

Ordnung zu stärken, war zu verlockend.<br />

Er erschien erfolgversprechen<strong>der</strong> als<br />

eine Sozialpolitik, die primär auf die Fähigkeit<br />

<strong>der</strong> Bürger vertraute, in erster Linie<br />

Verantwortung für sich selbst zu übernehmen,<br />

<strong>und</strong> dem Staat <strong>und</strong> seinen Sozialsystemen<br />

eine subsidiäre Rolle zuwies. Zudem<br />

erschienen die Erfahrungen aus <strong>der</strong> Katastrophe<br />

des Zweiten Weltkrieges noch zu<br />

lebendig <strong>und</strong> die Belastbarkeit <strong>der</strong> jungen<br />

demokratischen Ordnung noch zu wenig<br />

erprobt, als dass man die soziale Sicherheit<br />

vorrangig <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Bürger<br />

selbst anvertrauen wollte.<br />

Hinzu kam, dass sich die Institutionen <strong>der</strong><br />

Sozialpolitik Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre bereits<br />

zu Machtgebilden verfestigt hatten. Sie standen<br />

bereit, eine umfassende Sozialpolitik<br />

für alle wirtschaftlich <strong>und</strong> sozial Abhängigen<br />

zu verwirklichen: praktisch für die<br />

große Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />

Damit scheiterte <strong>der</strong> Versuch, die Ordnung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> die Ordnung des Sozialen<br />

nach kompatiblen ordnungspolitischen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen zu gestalten. Wertgeb<strong>und</strong>ener<br />

Wettbewerb in offenen Märkten <strong>und</strong> eine<br />

umfassende staatliche Sozialpolitik waren<br />

<strong>und</strong> sind ordnungspolitisch nur begrenzt<br />

kompatibel. Denn sie orientieren sich letztlich<br />

an zwei unterschiedlichen Einschätzungen<br />

bürgerschaftlicher Fähigkeiten <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Seitdem<br />

beherrscht <strong>der</strong> Dualismus von Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Sozialpolitik die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialordnung <strong>und</strong><br />

prägt die politische Entwicklung in Deutschland.<br />

Sein Anspruch, eine umfassende Sozialpolitik<br />

zu verwirklichen, hin<strong>der</strong>t den Sozialstaat<br />

daran, seine Sozialpolitik allein aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Solidarität zu<br />

begrenzen. Denn sein Auftrag beinhaltet bis<br />

heute nach wohl herrschen<strong>der</strong> Meinung<br />

stets auch, das Vertrauen <strong>der</strong> großen Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung in die demokratische<br />

Ordnung zu stärken <strong>und</strong> so dem sozialen<br />

Frieden zu dienen. Ob dies gelingt, lässt<br />

sich jedoch nicht nur nach Kriterien <strong>der</strong><br />

sozialen Gerechtigkeit beurteilen, zumal es<br />

sich bei ihnen um relative Maßstäbe handelt.<br />

Auch eine wohlhabende Gesellschaft<br />

kann durch Argumente <strong>der</strong> Verteilungsun-

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