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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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38 39 II. Subsidiarität in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft<br />

Das Doku-Drama »Aufstand <strong>der</strong> Alten« zeigt<br />

auch Strukturen, die sich in <strong>der</strong> Not bei<br />

überfor<strong>der</strong>ten Institutionen herausbilden<br />

könnten. Im Film sind es die Alten-WGs, die<br />

ohne jede Verklärung als Zweckgemeinschaften<br />

dargestellt werden, die entstehen,<br />

weil das Wohnen in Gemeinschaft billiger<br />

ist. Wenn man so will, kann man sie als Beispiele<br />

für kleine Lebenskreise, für familienähnliche<br />

Zusammenschlüsse, für die praktische<br />

Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips<br />

verstehen – neben vielen an<strong>der</strong>en Strukturen,<br />

die sich heute schon <strong>und</strong> erst recht in<br />

einer alternden Gesellschaft als Alternativen<br />

zu staatlichen <strong>und</strong> rein privaten Angeboten<br />

herausbilden <strong>und</strong> noch herausbilden werden.<br />

Heute schon gibt es viele unterschiedliche<br />

Wohnmodelle für ältere Menschen, die<br />

we<strong>der</strong> allein noch im Heim leben wollen. In<br />

einigen wohnen alte <strong>und</strong> junge Menschen<br />

zusammen, in an<strong>der</strong>en leben nur Rentner.<br />

Manchmal werden wie in einer Studenten-<br />

WG Bad <strong>und</strong> Küche gemeinsam genutzt,<br />

manchmal beziehen befre<strong>und</strong>ete Rentner<br />

zwar das gleiche Mietshaus, behalten aber<br />

jeweils einen eigenen Vertrag. Mittlerweile<br />

gibt es nicht nur reine Frauen- <strong>und</strong> Männer-<br />

WGs für Rentner, son<strong>der</strong>n auch Alten-<br />

Wohnprojekte eigens für Schwule <strong>und</strong> Lesben<br />

o<strong>der</strong> für Migranten. Und es gibt für<br />

Pflegebedürftige sogenannte Demenz-Wohngemeinschaften,<br />

<strong>der</strong>en Bewohner gemeinsam<br />

in großen Wohnungen r<strong>und</strong> um die Uhr<br />

betreut werden <strong>und</strong> sich dafür ambulante<br />

Pflegekräfte teilen.<br />

Gerade für solche Modelle wird <strong>der</strong> Bedarf<br />

in einer alternden Gesellschaft weiter steigen,<br />

denn diese WGs sind zwar nicht viel<br />

billiger als die ambulante Einzelbetreuung,<br />

sie sichern aber bei gleichen Kosten eine<br />

umfangreichere Versorgung <strong>und</strong> oft auch<br />

eine bessere Lebensqualität. Schon heute<br />

leidet je<strong>der</strong> fünfte über 80-Jährige an einer<br />

Form <strong>der</strong> Demenz, bei den über 90-Jährigen<br />

sogar je<strong>der</strong> dritte. Früher waren solche<br />

Altersleiden selten, weil die Menschen<br />

jünger starben. Nun drohen sie zum Massenphänomen<br />

zu werden – wenn neue<br />

Therapien <strong>und</strong> Medikamente dies nicht verhin<strong>der</strong>n.<br />

1,5 Millionen Demenzkranke gibt<br />

es momentan in Deutschland. Bis zum Jahr<br />

2020 werden es etwa doppelt so viele sein.<br />

Nach einer Schätzung des Instituts für<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystemforschung in Kiel werden<br />

die volkswirtschaftlichen Kosten <strong>der</strong><br />

Demenz in zehn Jahren 100 Milliarden Mark<br />

übersteigen.<br />

Am bekanntesten dürfte das Wohnmodell<br />

des 70-jährigen früheren Bremer Bürgermeisters<br />

Henning Scherf sein, <strong>der</strong> seit mehr<br />

als 20 Jahren mit seiner Ehefrau <strong>und</strong> sechs<br />

Fre<strong>und</strong>en in Bremen zusammenlebt. Die vier<br />

Paare haben zwar jeweils eigene Wohnungen<br />

gemietet, lassen ihre Türen aber nachts<br />

offenstehen <strong>und</strong> haben Schlüssel für die<br />

Wohnungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Je<strong>der</strong> hat<br />

bestimmte Aufgaben übernommen – Henning<br />

Scherf ist für den Garten zuständig.<br />

Am Samstag laden die Fre<strong>und</strong>e sich reihum<br />

zum Frühstück ein. Es gibt die Verabredung,<br />

sich einan<strong>der</strong> auch im Fall von Krankheit<br />

<strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich<br />

zu unterstützen.<br />

Das Beispiel zeigt, dass nicht nur die Betroffenen<br />

selbst, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Staat von<br />

solchen Arrangements profitiert. Wenn sich<br />

durch solche Wohnformen <strong>der</strong> Umzug in ein<br />

Pflegeheim um ein o<strong>der</strong> zwei Jahre hinauszögern<br />

lässt o<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong> ambulante<br />

Pflegedienst seltener kommen muss, sinken<br />

die Ausgaben für die gesetzliche Pflegeversicherung.<br />

Hinzu kommt noch die Steigerung<br />

<strong>der</strong> Lebensqualität. Die Gesellschaft<br />

muss also ein Interesse daran haben, die<br />

Entstehung <strong>und</strong> Entfaltung kleiner Lebenskreise<br />

nicht nur zuzulassen, son<strong>der</strong>n zu<br />

ermutigen <strong>und</strong> zu unterstützen.<br />

Bisher ist aber vor allem <strong>der</strong> bestehende<br />

Sozialstaat auf die Alternativen Pflege durch<br />

Angehörige, professionelle ambulante Pflege

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