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Bericht der Kommission »Familie und demographischer Wandel

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34 35 II. Subsidiarität in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft<br />

sellschaften«. Der Staat <strong>und</strong> seine Vertreter<br />

sollen sich nach Buschkowskys Vorstellung<br />

eher stärker als bisher in das Leben seiner<br />

Bürger einmischen <strong>und</strong> beispielsweise die<br />

Einhaltung <strong>der</strong> Schulpflicht für Kin<strong>der</strong> notfalls<br />

mit Bußgel<strong>der</strong>n <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Zwangsmaßnahmen<br />

durchsetzen. Auch eine allgemeine<br />

Kin<strong>der</strong>gartenpflicht sei sinnvoll – <strong>und</strong><br />

im Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Eltern zu<br />

einer neu entstehenden großen bildungsfernen<br />

Schicht gehören.<br />

Gleichwohl ist auch Buschkowsky ein<br />

Anhänger des Subsidiaritätsgedankens. Ein<br />

starker Staat ist nicht ein allzuständiger<br />

Staat, argumentiert er. Und gerade in Neukölln<br />

mit seinen 160 Ethnien sei <strong>der</strong> Staat<br />

auf die Unterstützung unterschiedlichster<br />

Bürger angewiesen, um problematische<br />

Gruppen mit seinen Angeboten zu erreichen.<br />

Ein Beispiel dafür seien die sogenannten<br />

Stadtteilmütter – Frauen, die vom Bezirk<br />

geschult werden <strong>und</strong> zugezogene Familien<br />

aufsuchen, die sich allein nur schwer<br />

orientieren können. Für diese Frauen öffne<br />

sich manche Tür, die sich für den staatlich<br />

finanzierten Sozialarbeiter nicht öffne,<br />

so Buschkowsky – <strong>und</strong> gerade in <strong>der</strong> Wohnung<br />

dahinter gebe es Kin<strong>der</strong>, die Hilfe<br />

brauchen.<br />

Das Interview unterstreicht daher einen<br />

Ansatz <strong>der</strong> <strong>Kommission</strong>, wonach es ihr mit<br />

dem vorliegenden <strong>Bericht</strong> um eine verbesserte<br />

Lebensqualität <strong>und</strong> mehr Entwicklungschancen<br />

für Familien in allen Teilen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft geht – <strong>und</strong> vielfach um eine<br />

Ergänzung, nicht den Ersatz staatlicher<br />

Strukturen. Richtig verstanden bedeutet<br />

Subsidiarität, dass kleine Lebenskreise <strong>und</strong><br />

nachbarschaftliche Hilfssysteme ihre Wirkung<br />

entfalten, wo sie dem Staat ebenbürtig<br />

o<strong>der</strong> überlegen sind. Gerade diese Definition<br />

schließt jedoch die Annahme ein, dass<br />

dies nicht für alle Bereiche <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> auch nicht für alle Bereiche <strong>der</strong> Familienpolitik<br />

geht. Nötig ist vielmehr eine gute<br />

Verknüpfung professionellen <strong>und</strong> bürger-<br />

schaftlichen Engagements. In <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Debatte wird beides häufig als Gegensatz<br />

gesehen. Entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat kümmert<br />

sich – o<strong>der</strong> die Kirche, die Nachbarn, <strong>der</strong><br />

Verein, so die gängige Logik. Gerade in Zeiten<br />

des Sparens liegt in dieser Denkweise<br />

eine große Gefahr: Wenn bürgerschaftliches<br />

Engagement deswegen misstrauisch beobachtet<br />

wird, weil es dem Staat einen Vorwand<br />

liefert, seinerseits Leistungen zu kürzen<br />

o<strong>der</strong> Hilfsangebote zu verringern, wird<br />

es nicht die gesellschaftliche Unterstützung<br />

bekommen, die nötig <strong>und</strong> angemessen wäre.<br />

Außerdem geht in <strong>der</strong> Diskussion über<br />

Sparzwänge <strong>und</strong> Finanzierbarkeit von Fürsorgeleistungen<br />

leicht verloren, dass die<br />

materielle Unterstützung bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

kleiner Lebenskreise nur eine von mehreren<br />

Voraussetzungen ist. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

sind ähnlich wichtig, vor<br />

allem aber auch eine Kultur <strong>der</strong> Anerkennung.<br />

Schließlich engagieren sich die<br />

wenigsten Bürger aus materiellen Gründen,<br />

schon gar nicht die meisten älteren Menschen,<br />

<strong>der</strong>en Potential für die Bewältigung<br />

zivilgesellschaftlicher Aufgaben noch längst<br />

nicht hinreichend erkannt <strong>und</strong> genutzt<br />

wird.<br />

Wie sich staatliches <strong>und</strong> bürgerschaftliches<br />

Engagement verbinden lassen, erläutert<br />

Peter Strohmeier am Beispiel des Ruhrgebiets.<br />

Strohmeier macht deutlich, wie sich<br />

eine Kultur <strong>der</strong> Abkapselung <strong>und</strong> des Misstrauens<br />

in sozial benachteiligten Stadtvierteln<br />

ausbreitet. Noch in den 1950er Jahren<br />

seien die überwiegend von deutschen<br />

Arbeitern bewohnten Ruhrgebietssiedlungen<br />

von einem starken Zusammenhalt von<br />

Familien <strong>und</strong> Nachbarschaften geprägt<br />

gewesen. Zwei Drittel <strong>der</strong> Bewohner dieser<br />

Viertel hätten Verwandte im gleichen Stadtteil<br />

gehabt, die häufig auch Kollegen waren.<br />

Dass es sich um kleine Lebenskreise mit<br />

großem Zusammenhalt gehandelt habe,<br />

könne man daran ablesen, dass wenig staatliche<br />

Sozialhilfe in Anspruch genommen<br />

wurde, dafür aber kirchliche, gewerkschaft-

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