Der Aufenthalt im Allgemeinkrankenhaus - Institut für ...
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1.3 Fallgruppe „Patient/innen mit anderen psychischen<br />
Frau Y.<br />
84<br />
Erkrankungen“<br />
Frau Y. ist 70 Jahre alt, geschieden und lebt zurückgezogen mit sieben Kat-<br />
zen und einem Hund. Sie versorgte sich bisher völlig selbstständig und erwirtschaftete<br />
sogar einen kleinen Hinzuverdienst durch stundenweise Putz-<br />
dienste. Seit vielen Jahren besteht kein Kontakt mehr zu den noch lebenden<br />
Familienangehörigen, der Schwester und Mutter in Westfalen sowie dem<br />
geschiedenen Ehemann. Nach Feststellung eines Tumors (Plasmozytom)<br />
wird sie <strong>im</strong> März 2001 in die Chirurgische Abteilung aufgenommen.<br />
Anfang April wird der Liaisondienst hinzugezogen, weil dem Pflegepersonal<br />
Frau Y.’s depressive und ängstliche Art auffällt. <strong>Der</strong> Modellarzt diagnostiziert<br />
eine Anpassungsstörung <strong>im</strong> Sinne einer depressiven Reaktion auf die als<br />
unheilbar prognostizierte Krebserkrankung. Die psychische Erkrankung wird<br />
nun einerseits medikamentös therapiert, Frau Y. erhält einen Tranquilizer<br />
(Tavor), ein Antidepressivum (Sepram) und ein Schlafmittel (Planum mite).<br />
Andererseits wird sie fast täglich von den Mitarbeiterinnen des Liaisondienstes<br />
besucht. Verursacht durch ihre Tumorerkrankung ist sie zu diesem Zeit-<br />
punkt körperlich erheblich eingeschränkt, über Wochen hinweg besteht eine<br />
nahezu vollständige Immobilität. Die Gefahr einer drohenden Querschnittlähmung<br />
wegen schwer geschädigter Wirbel <strong>im</strong> Brustbereich erlaubt nur ein<br />
Aufrichten des Oberkörpers bis max<strong>im</strong>al 30° aus der liegenden Position<br />
heraus. Die bisher völlig selbstständige Frau ist nun in allen Verrichtungen<br />
auf fremde Hilfe angewiesen, ein Umstand, der sie zusätzlich sehr belastet.<br />
Be<strong>im</strong> Erstkontakt mit dem Liaisondienst wirkt sie passiv niedergeschlagen,<br />
mutlos, antriebslos und weinerlich, aber auch durchaus freundlich, zugänglich<br />
und offen. Nach eigener Aussage durchlebt sie ein Wechselbad der<br />
Gefühle: Angst, Wut, Trauer, Selbstmitleid, aufke<strong>im</strong>ende Hoffnung und Re-<br />
signation. Einerseits erweckt sie den Eindruck, sie hätte bereits mit dem<br />
Leben abgeschlossen, andererseits klammert sie sich an jeden Strohhalm,<br />
an jede Bemerkung, die ihr Hoffnung macht. Die größte Sorge gilt ihren<br />
Haustieren. Sobald dieses Thema angesprochen wird, bricht sie in Tränen<br />
aus. Den wenigen Besuchen durch ihre Nachbarn steht sie ablehnend ge-