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Der Aufenthalt im Allgemeinkrankenhaus - Institut für ...

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zunehmend ab. Immer mehr kommt nun die humorvolle Seite des Patienten<br />

zum Vorschein.<br />

Seine Wohnung wurde mittlerweile aufgelöst. <strong>Der</strong> Betreuer berichtet, dass<br />

man dort eine Werkstatt vorgefunden habe, in der sich von Herrn R. selbst<br />

hergestellte Werkzeuge und Automaten befanden, die alle Beteiligten regelrecht<br />

fasziniert hätten. Herr R. sei ein ingeniöser Tüftler gewesen, ein Erfin-<br />

dergeist. Beispielsweise sei eine automatische Endloslötmaschine vorge-<br />

funden worden, und viele weitere Gerätschaften. Von manchen wisse man<br />

bis heute nicht, wozu sie eigentlich dienlich sind. Herr R. müsse von seiner<br />

Arbeit geradezu besessen gewesen sein. Wenn Herr R. darauf angespro-<br />

chen wird, blüht er regelrecht auf, gleichzeitig wirkt er aber auch nachdenklich,<br />

fast wehmütig und erklärt, seine Fähigkeit zu solchen Arbeiten sei in<br />

den letzten Jahren geschwunden. Er habe <strong>im</strong>mer nach jemandem gesucht,<br />

der sein Lebenswerk fortsetzen könne, jedoch niemanden gefunden. Er<br />

berichtet, wie agil und umtriebig er früher gewesen sei, gekleidet „wie aus<br />

dem Ei gepellt“ und erzählt von seiner Querdenkerei und seinem Wider-<br />

spruchsgeist, er habe nur frei und unabhängig sein wollen, gegenwärtig<br />

komme er sich dagegen nutzlos und schäbig vor. Er lasse sich aber auch<br />

heute nicht dressieren. „Mein schäbiger Ranzen spürt selber, was ihm gut<br />

tut.“ <strong>Der</strong> Betreuer berichtet, dass man sich mit Herrn R. darauf verständigt<br />

habe, dass ein Großteil der Werkzeuge zu einem symbolischen Preis an<br />

eine junge Schmuckmacherin vergeben wird. Ein anderer Teil sei an ge-<br />

meinnützige Einrichtungen gegangen.<br />

Im Gespräch mit Herrn R. fällt auf, dass sich seine kognitiven Funktionen<br />

etwas verschlec htert haben, klinisch entsteht der Eindruck, dass dementive<br />

Hirnabbauprozesse beginnen. Testpsychologisch lässt sich dies nicht überprüfen,<br />

da Herr R. eine solche Untersuchung ebenso wie die Behandlung<br />

mit Medikamenten ablehnt.<br />

Zum Zeitpunkt des zweiten Hausbesuches hat sich Herr R. körperlich und<br />

psychisch weiter stabilisiert. Er hat nun auch die gute Betreuung und pflege-<br />

rische Versorgung <strong>im</strong> Pflegehe<strong>im</strong> zu schätzen gelernt und scheint nicht<br />

mehr mit seinem Schicksal zu hadern. Einige Pflegekräfte hat er zu seinen<br />

„Lieblingsschwestern“ auserkoren. Mit diesen scherzt er häufig, duldet auch<br />

deren Widerrede und ist bemüht, ihren Anweisungen und Aufforderungen<br />

nachzukommen. Zwischenmenschliche Kontakte zu anderen He<strong>im</strong>bewohnern<br />

sind jedoch weiter selten. Das größte Problem besteht <strong>für</strong> Herrn R.<br />

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