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Der Aufenthalt im Allgemeinkrankenhaus - Institut für ...

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nen Themen eher an der Oberfläche bewegen. Sobald der Tod des Ehe-<br />

manns oder ihr Krankheitsverlauf und die damit verbundenen Zukunftsperspektiven<br />

angeschnitten werden, verschließt sich die Patientin, möchte die-<br />

se Themen lieber verdrängen. Erst nach mehreren Kontakten fasst sie zu-<br />

sehends Vertrauen, wird offener, kann über ihre bisher verdrängten Gefühle,<br />

wie Trauer, Wut, Enttäuschung und Ängste, sprechen und sich diesbezüg-<br />

lich erleichtern. Wenn die Fachkrankenschwester zu Besuch kommt,<br />

wünscht sich Frau S. häufig, mit dem Rollstuhl in den Garten oder ins Café<br />

gebracht zu werden, was sie sichtlich entspannt und ihre St<strong>im</strong>mung deutlich<br />

aufhellt. Sie zeigt nun ein großes Mitteilungsbedürfnis. Sie beklagt, dass ihre<br />

Z<strong>im</strong>mergenossen alle überaltert seien und sie keinen gleichwertigen Gesprächspartner<br />

habe. Sie zeigt Interesse am Weltgeschehen und ist auch<br />

musisch interessiert, früher besuchte sie gern Konzerte. Die Konversation<br />

mit der Fachkrankenschwester tut ihr nach eigener Aussage gut, die ergotherapeutischen<br />

Angebote lehnt sie aber ab.<br />

Frau S. berichtet, dass ihre Ehe sehr konfliktreich und in den letzten Mona-<br />

ten kaum noch erträglich war. Es belastet sie sehr, dass nach dem Tod des<br />

Ehemanns herauskam, dass er Schulden gemacht hat, sie hinterging und<br />

unehrlich war. Sie hat massive existenzielle Ängste und bittet das Modell-<br />

team, ihren Rentenanspruch zu klären. Die Patientin erzählt auch aus ihrer<br />

Lebensgeschichte. Sie wuchs als Einzelkind auf, lebte bei den Eltern, mach-<br />

te eine Ausbildung zur Arzthelferin, später eine Umschulung zum Operator<br />

und arbeitete danach bei einem großen Elektronikkonzern. Frau S. erzählt,<br />

dass sie in ihrem Leben mehrmals massiv enttäuscht wurde. Ihre erste Ehe<br />

endete mit Scheidung. Ihre Tochter wuchs danach be<strong>im</strong> Vater auf. Sie ist<br />

heute verheiratet, lebt in München und interessiert sich nicht weiter <strong>für</strong> die<br />

Mutter. Im Alter von 54 Jahren heiratet Frau S. zum zweiten Mal. Mit 57<br />

Jahren muss sie wegen langjährigem Diabetes mellitus in die Frührente<br />

eintreten. Vor dem Klinikaufenthalt konnte sie sich mit Hilfe des Ehemanns<br />

gut versorgen. Wie dies nach seinem Tod nun aussehen soll, verdrängt die<br />

Patientin.<br />

Frau S. beschreibt sich selbst als selbstständigen Menschen, wirkt aber<br />

häufig unsicher, was sie gut überspielt, z.B. durch kritisches Hinterfragen<br />

anderer Personen und deren Handlungen. Durch diese Haltung macht sie<br />

sich be<strong>im</strong> Pflegepersonal nicht gerade beliebt. Die Pflegekräfte beschreiben<br />

die Patientin zwar einerseits als freundlich angepasst, andererseits aber wird<br />

ihre kritische Art als unangenehm empfunden, teilweise auch belächelt.<br />

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