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det). Beides ist entweder, wie bei Sancho, eine ideologische Umschreibung<br />
des Bestehenden, denn die Verhältnisse der Individuen können unter allen<br />
Umständen nichts andres als ihr wechselseitiges Verhalten, und ihre Unterschiede<br />
können nichts andres als ihre Selbstunterscheidungen sein. Oder es<br />
ist der fromme Wunsch, daß sie sich so verhalten und so voneinander unterscheiden<br />
möchten, daß ihr Verhalten nicht als von ihnen unabhängiges gesellschaftliches<br />
Verhältnis verselbständigt, daß ihre Unterschiede voneinander<br />
nicht den sachlichen (von der Person unabhängigen) Charakter annehmen<br />
möchten, den sie angenommen haben und noch täglich annehmen.<br />
Die Individuen sind immer und unter allen Umständen „von sich ausgegangen",<br />
aber da sie nicht einzig in dem Sinne waren, daß sie keine Beziehung<br />
zueinander nötig gehabt hätten, da ihre Bedürfnisse, also ihre Natur,<br />
und die Weise, sie zu befriedigen, sie aufeinander bezog (Geschlechtsverhältnis,<br />
Austausch, Teilung der Arbeit), so mußten sie in Verhältnisse treten.<br />
Da sie ferner nicht als reinelchs, sondern als Individuen auf einer bestimmten<br />
Entwicklungsstufe ihrer Produktivkräfte und Bedürfnisse in Verkehr traten,<br />
in einen Verkehr, der seinerseits wieder die Produktion und die Bedürfnisse<br />
bestimmte, so war,es eben das persönliche, individuelle Verhalten der Individuen,<br />
ihr Verhalten als Individuen zueinander, das die bestehenden Verhältnisse<br />
schuf und täglich neu schafft. Sie traten als das miteinander in<br />
Verkehr, was sie waren, sie gingen „von sich aus", wie sie waren, gleichgültig,<br />
welche „Lebensanschauung" sie hatten. Diese „Lebensanschauung", selbst<br />
die windschiefe der Philosophen, konnte natürlich immer nur durch ihr wirkliches<br />
Leben bestimmt sein. Es stellt sich hierbei allerdings heraus, daß die<br />
Entwicklung eines Individuums durch die Entwicklung aller andern, mit<br />
denen es in direktem oder indirektem Verkehr steht, bedingt ist, und daß<br />
die verschiedenen Generationen von Individuen, die miteinander in Verhältnisse<br />
treten, einen Zusammenhang unter sich haben, daß die Späteren<br />
in ihrer physischen Existenz durch ihre Vorgänger bedingt sind, die von<br />
ihnen akkumulierten Produktivkräfte und Verkehrsformen übernehmen und<br />
dadurch in ihren eignen gegenseitigen Verhältnissen bestimmt werden.<br />
Kurz, es zeigt sich, daß eine Entwicklung stattfindet und die Geschichte<br />
eines einzelnen Individuums keineswegs von der Geschichte der vorhergegangenen<br />
und gleichzeitigen Individuen loszureißen ist, sondern von ihr<br />
bestimmt wird.<br />
Das Umschlagen des individuellen Verhaltens in sein Gegenteil, ein bloß<br />
sachliches Verhalten, die Unterscheidung von Individualität und Zufälligkeit<br />
durch die Individuen selbst, ist, wie wir bereits nachgewiesen haben, ein<br />
geschichtlicher Prozeß und nimmt auf verschiednen Entwicklungsstufen