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Beide „beleibte Wesen" sind und wenigstens der lachende Erbe an ihre wechselseitige<br />
Existenz resp. Einzigkeit glaubt. Daß Sancho der moderne Christus<br />
ist, auf diese seine „fixe Idee" „zielt" bereits die ganze Geschichtskonstruktion.<br />
Die Philosophie der Empörung, die uns soeben in schlechten Antithesen<br />
und welken Redeblumen vorgetragen wurde, ist in letzter Instanz nichts als<br />
eine bramarbasierende Apologie der Parvenuwirtschaft (Parvenü, Emporkömmling,<br />
Emporgekommener, Empörer). Jeder Empörer hat bei seiner<br />
„egoistischen Tat" ein spezielles Bestehende sich gegenüber, worüber er sich<br />
zu erheben strebt, unbekümmert um die allgemeinen Verhältnisse. Er sucht<br />
das Bestehende nur, insoweit es eine Fessel ist, loszuwerden, im Übrigen dagegen<br />
sucht er es sich vielmehr anzueignen. Der Weber, der zum Fabrikanten<br />
„emporkommt", wird dadurch seinen Webstuhl los und verläßt ihn; im<br />
übrigen geht die Welt ihren Gang fort, und unser „gedeihender" Empörer<br />
stellt an die Andern nur die heuchlerische moralische Forderung, auch Parvenüs<br />
zu werden wie er.* So verlaufen sich alle kriegerischen Rodomontaden<br />
Stirners in moralische Schlußfolgerungen aus Gellerts Fabeln und spekulative<br />
Interpretationen der bürgerlichen Misere.<br />
Wir haben bisher gesehen, daß die Empörung Alles, nur keine Tat ist.<br />
p. 342 erfahren wir, daß „das Verfahren des Zugreifens nicht verächtlich sei,<br />
sondern die reine Tat des mit sich einigen Egoisten bekunde". Soll wohl heißen:<br />
der miteinander einigen Egoisten, da sonst das Zugreifen auf das unzivilisierte<br />
„Verfahren" der Diebe oder das zivilisierte der Bourgeois hinausläuft und<br />
im ersten Falle nicht gedeiht, im zweiten Falle keine „Empörung" ist. Zu<br />
bemerken ist, daß dem mit sich einigen Egoisten, der Nichts tut, hier die<br />
„reine" Tat entspricht, eine Tat, die allerdings von einem so tatlosen Individuum<br />
allein zu erwarten stand.<br />
Nebenbei erfahren wir, was den Pöbel geschaffen hat, und wir können im<br />
Voraus wissen, daß es wieder eine „Satzung" und der Glaube an diese<br />
Satzung, an das Heilige, ist, der hier zur Abwechslung als Sündenbewußtsein<br />
auftritt:<br />
„Nur daß das Zugreifen Sünde, Verbrechen ist, nur diese Satzung schafft einen<br />
Pöbel ... das alte Sündenbewußtsein trägt allein die Schuld." p.342.<br />
Der Glaube, daß das Bewußtsein an Allem schuld ist, ist seine Satzung,<br />
die ihn zum Empörer und den Pöbel zum Sünder macht.<br />
* [Im Manuskript gestrichen:] Es ist die alte Moral des Kleinbürgers, daß die<br />
Welt am besten bestellt ist, wenn ein Jeder es für sich so weit wie möglich zu bringen<br />
sucht und sich im übrigen nicht um den Weltlauf kümmert.