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lebenslustigen und verschwenderischen Hofadel unter der absoluten Monarchie.<br />
Bei diesem Adel hat sie noch mehr die Gestalt unmittelbarer naiver<br />
Lebensanschauung, die ihren Ausdruck in Memoiren, Gedichten, Romanen<br />
pp. erhält. Zur eigentlichen Philosophie wird sie erst unter den Händen einiger<br />
Schriftsteller der revolutionären Bourgeoisie, die einerseits an der Bildung<br />
und Lebensweise des Hofadels teilnahmen und andererseits die auf den allgemeineren<br />
Bedingungen der Bourgeoisie beruhende allgemeinere Anschauungsweise<br />
dieser Klasse teilten. Sie wurde deshalb von beiden Klassen, obwohl<br />
von ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus, akzeptiert. War beim<br />
Adel diese Sprache noch ganz auf den Stand und die Lebensbedingungen<br />
des Standes beschränkt, so wurde sie von der Bourgeoisie verallgemeinert und<br />
an jedes Individuum ohne Unterschied gerichtet, so daß von den Lebensbedingungen<br />
dieser Individuen abstrahiert und die Genußtheorie dadurch in<br />
eine fade und heuchlerische Moraldoktrin verwandelt wurde. Als die weitere<br />
Entwicklung den Adel gestürzt und die Bourgeoisie mit ihrem Gegensatz,<br />
dem Proletariat, in Konflikt gebracht hatte, wurde der Adel devot-religiös<br />
und die Bourgeoisie feierlich-moralisch und streng in ihren Theorien, oder<br />
verfiel in die oben angedeutete Heuchelei, obwohl der Adel in der Praxis<br />
keineswegs aufs Genießen verzichtete und der Genuß bei der Bourgeoisie<br />
sogar eine offizielle ökonomische Form annahm - als Luxus*<br />
Der Zusammenhang des Genießens der Individuen jeder Zeit mit den<br />
Klassenverhältnissen und den sie erzeugenden Produktions- und Verkehrsbedingungen,<br />
in denen sie leben, die Borniertheit des bisherigen, außer dem<br />
wirklichen Lebensinhalt der Individuen und zu ihm in Gegensatz stehenden<br />
Genießens, der Zusammenhang jeder Philosophie des Genießens mit dem<br />
ihr vorliegenden wirklichen Genießen und die Heuchelei einer solchen Philosophie,<br />
die sich an alle Individuen ohne Unterschied richtet, konnte natürlich<br />
erst aufgedeckt werden, als die Produktions- und Verkehrsbedingungen<br />
der bisherigen Welt kritisiert werden konnten, d. h. als der Gegensatz zwi-<br />
* [Im Manuskript gestrichen:] Im Mittelalter waren die Genüsse vollständig<br />
klassifiziert; jeder Stand hatte seine besondern Genüsse und seine besondre Weise<br />
des Genießens. Der Adel war der zum ausschließlichen Genießen priviligierte Stand,<br />
während bei der Bourgeoisie schon die Spaltung zwischen Arbeit und Genuß existierte<br />
und der Genuß der Arbeit subordiniert war. Die Leibeignen, die ausschließlich<br />
zur Arbeit bestimmte Klasse, hatte nur höchst wenige und beschränkte Genüsse,<br />
die ihnen mehr zufällig kamen, von der Laune ihrer Herren und andern zufälligen<br />
Umständen abhingen und kaum in Betracht kommen können. - Unter der Herrschaft<br />
der Bourgeoisie nahmen die Genüsse ihre Form von den Klassen der Gesellschaft<br />
an. Die Genüsse der Bourgeoisie richten sich nach dem Material, was diese