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„Als bewußtes Mitglied der Gesellschaft erkenne ich jedes andre Mitglied als ein<br />

von mir verschiedenes, mir gegenüberstehendes, zugleich aber wieder als ein auf dem<br />

gemeinschaftlichen Urgründe des Seins ruhendes und von ihm ausgehendes, mir gleiches<br />

Wesen. Ich erkenne jeden Mitmenschen durch seine besondre Natur als mir entgegengesetzt<br />

und durch seine allgemeine Natur als mir gleich. Die Anerkennung der<br />

menschlichen Gleichheit, der Berechtigung eines Jeden zum Leben, beruht demnach<br />

auf dem Bewußtsein der gemeinschaftlichen, allen gemeinsamen menschlichen Natur;<br />

Liebe, Freundschaft, Gerechtigkeit und alle gesellschaftlichen Tugenden beruhen<br />

gleichfalls auf dem. Gefühle der natürlichen menschlichen Zusammengehörigkeit und<br />

Einheit. Hat man sie bisher als Pflichten bezeichnet und auferlegt, so werden sie in<br />

einer Gesellschaft, welche nicht auf äußern Zwang, sondern auf das Bewußtsein der<br />

inneren menschlichen Natur, d.h. die Vernunft, gegründet ist, zu freien, naturgemäßen<br />

Äußerungen des Lebens werden. In der natur-, d. h. vernunftgemäßen Gesellschaft<br />

müssen daher die Bedingungen des Lebens für alle Mitglieder gleich, d. h. allgemein<br />

sein." p. 161, 162.<br />

Der Verfasser besitzt ein großes Talent, zuerst einen Satz assertorisch<br />

aufzustellen und ihn dann durch ein Daher, Dennoch pp. als Konsequenz aus<br />

sich selbst zu legitimieren. Ebenso versteht er es, mitten in diese merkwürdige<br />

Art der Deduktion traditionell gewordene sozialistische Sätze durch ein<br />

„Hat", „Ist" - „so müssen", „so wird" usw. erzählend einzuschmuggeln.<br />

In dem ersten Baustein hatten wir auf der einen <strong>Seite</strong> den Einzelnen und<br />

auf der andern das Allgemeine, gegenüber den Einzelnen, als Gesellschaft.<br />

Hier kehrt der Gegensatz in der Form wieder, daß der Einzelne in sich selbst<br />

in eine besondre und eine allgemeine Natur gespalten wird. Aus der allgemeinen<br />

Natur wird dann auf die „menschliche Gleichheit" und die Gemeinschaftlichkeit<br />

geschlossen. Die den Menschen gemeinschaftlichen Verhältnisse<br />

erscheinen hier also als Produkt des „Wesens des Menschen", der Natur,<br />

während sie ebensogut wie das Bewußtsein der Gleichheit historische Produkte<br />

sind. Damit noch nicht zufrieden, begründet der Verfasser die Gleichheit<br />

durch ihr allerseitiges Beruhen „auf dem gemeinschaftlichen Urgründe<br />

des Seins". Im Prolog erfuhren wir p. 158, daß der Mensch „aus denselben<br />

Stoffen gebildet, mit denselben allgemeinen Kräften und Eigenschaften begabt<br />

ist, welche alle Dinge beleben". Im ersten Baustein erfuhren wir, daß<br />

die Natur die „Grundlage alles Lebens" ist, also „der gemeinschaftliche Urgrund<br />

des Seins". Der Verfasser ist also weit über die Franzosen hinausgegangen,<br />

indem er „als bewußtes Mitglied der Gesellschaft" nicht nur die<br />

Gleichheit der Menschen unter sich, sondern auch ihre Gleichheit mit jedem<br />

Floh, jedem Strohwisch, jedem Stein bewiesen hat.<br />

Wir wollen gerne glauben, daß „alle gesellschaftlichen Tugenden" unsres<br />

wahren Sozialisten „auf dem Gefühl der natürlichen menschlichen Zusam-

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