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stelle die Waffen niederlegen und unbewaffnet in die Heimat zurückmarschieren.<br />
Der Fernspruch Linders wurde durch die Funkstation des<br />
Badener Oberkommandos an die Armeekommanden weitergegeben, ohne<br />
daß das Oberkommando Weisung gegeben hätte, ob Linders Befehl befolgt<br />
werden solle oder nicht. „Ich bin gezwungen, zu melden, daß die zweideutige<br />
Haltung des Oberkommandos und dessen Mangel an klarem Wollen<br />
die korrekte Führung der Heereskörper im höchsten Maße gefährdet. Ich<br />
lehne jede Verantwortung für diese Heeresführung ab, da sie nicht nur den<br />
Bestand, sondern auch die Ehre der Wehrmacht zu vernichten droht", telegraphierte<br />
Feldmarschall Boroevic an das Oberkommando.<br />
Aber auch in Deutschösterreich drängten schon viele nach unbedingter<br />
Kapitulation. In Tirol herrschte furchtbare Angst. Man fürchtete Plünderung,<br />
Verwüstung, Brandlegung, wenn die Armee, undiszipliniert und unverpflegt,<br />
durch das Land zurückströmte. Am 26. Oktober hatten sich die<br />
Reichsrats- und Landtagsabgeordneten Deutschtirols als Landesversammlung<br />
konstituiert und einen „Tiroler Nationalrat" aus ihrer Mitte gewählt,<br />
der am 1. November proklamierte, er übernehme „die gesamte Zivil- und<br />
Militärgewalt Deutschtirols". Der Nationalrat forderte die „Abriegelung"<br />
Nordtirols gegen die zurückflutende Armee. Er forderte zu diesem Zweck<br />
zuerst reichsdeutsche, dann sogar Ententetruppen. Lieber solle die ganze<br />
Armee in Gefangenschaft geraten, als daß ganz Tirol verwüstet wird.<br />
Nicht geringer war die Angst der Herrenklasse in Wien vor der heimkehrenden<br />
Armee. Seit dem 30. Oktober sah Wien täglich stürmische<br />
Soldatenversammlungen^ Der Hof und das Oberkommando, die Generale<br />
und die Diplomaten, der Adel und die Bourgeoisie zitterten vor der Rache<br />
der heimkehrenden Truppen. Auch sie dachten nun, das beste wäre, die<br />
Armee in Gefangenschaft geraten zu lassen.<br />
Und selbst einzelne Kommanden an der Front dachten nun schon<br />
nicht anders. Das Heeresgruppenkommando Tirol telegraphierte am 2. November<br />
an den Chef des Generalstabs, wenn sofortiger Waffenstillstand<br />
nicht zu erreichen, sei die Waffenstreckung der ganzen Armee die einzige<br />
Rettung.<br />
Unter solchen Einflüssen stand das Oberkommando, als es endlich die<br />
Waffenstillstandsbedingungen der Entente erhielt. Nun war es erst recht<br />
ratlos. Die Entente forderte das uneingeschränkte Recht zum Durchmarsch<br />
durch österreichisches Gebiet. Tirol sollte zu ihrem Aufmarschraum gegen<br />
Süddeutschland werden. Der Kaiser wußte, wie sein Abfall von Deutschland<br />
in Deutschösterreich gewirkt hatte. Der Kaiser fürchtete wilden<br />
Zornesausbruch in Deutschösterreich, wenn er auch dieser Forderung der<br />
Entente zustimmte. Während jede Stunde die Anarchie an der Front vergrößerte,<br />
verging der ganze 2. November in ergebnislosen Beratungen.<br />
Der Kaiser versuchte es, die Entscheidung dem deutschösterreichischen<br />
Staatsrat zuzuschieben. Der Staatsrat lehnte sie ab: Deutschösterreich hat<br />
keinen Krieg geführt. Deutschösterreich hat keine Armee. Den Waffenstillstand<br />
schließen kann nur die Macht, die den Krieg geführt hat und auch<br />
jetzt noch die Armee kommandiert. Es ist ihre letzte Aufgabe, aber nur ihre<br />
Aufgabe.<br />
In der Nacht vom 2. auf den 3. November gab der Kaiser endlich den<br />
Befehl, die Waffenstillstandsbedingungen anzunehmen. Zugleich gab er<br />
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