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gannen; als am Abend des 30. Oktober Soldatenhaufen den Offizieren auf<br />

der Strafte die Rosetten mit den kaiserlichen Initialen \'on den Kappen<br />

rissen, war es klar, daß die militärische Disziplin in den Wiener Kasernen<br />

vollends zusammengebrochen war. Die furchtbare Allmacht, die die militärische<br />

Organisation im Kriege dem Offizierkorps gegeben hatte, schlug mit<br />

einem Schlage in völlige Ohnmacht um; vierjährige Unterdrückung der<br />

Menschenwürde des Soldaten rächte sich nun in wild aufloderndem Haß<br />

des Mannes gegen den Offizier. Wo bisher der stumme Gehorsam gewaltet<br />

hatte, setzte nun die elementare, instinktive, anarchische revolutionäre Bewegung<br />

ein. Soldatenhaufen, von Heimkehrern aus Rußland geführt, versammelten<br />

sich nächst der Roßauer Kaserne und berauschten sich an<br />

wilden Reden. Sie versuchten die Bildung einer „Roten Garde", sie zogen<br />

bewaffnet durch, die Stadt, sie „expropriierteii" Kraftwagen und „beschlagnahmten"<br />

Lebensmittelvorräte. Die Offiziere selbst wurden von der Bewegung<br />

erfaßt. Reserveoffiziere aus den Reihen der Intelligenz beteiligten<br />

sich, von der Revolutionsromantik des Bolschewismsus mitgerissen, an der<br />

Bildung der Roten Garde, während sich deutschnalionale Offiziere im Parlamentsgebäude<br />

als ,, Soldatenräte" auftaten. Die überwiegende Mehrheit der<br />

Soldaten aber packte unwiderstehlicher Drang, nach Hause, zu Weib und<br />

Kind zurückzukehren. Die slawischen Soldaten eilten ungeordnet nach<br />

Hause, sobald sie von der Bildung der Nationalstaaten in ihrer Heimat erfuhren;<br />

ihr Beispiel verbreitete die Desertionsbewegung sofort auch auf die<br />

deutschen Soldaten. Niemand tat mehr Dienst, die Kader lichteten sich^<br />

die Wachen liefen davon, die wichtigsten Depots und Magazine waren unbewacht.<br />

Kriegsverwilderung, Hunger, Verbrechertum nützten diese Selbstauflösung<br />

der Garnisonen aus: Plünderungen begannen. In den Gefangenenlagern<br />

waren die fremden Kriegs.'^efangenen nicht mehr bewacht; ein paar<br />

Stunden zitterte das durch die Selbstauflösung der Garnison wehrlos ge-<br />

V7ordene Wien vor dem Anmarsch italienischer Kriegsgefangener aus dem<br />

Lager von Sigmundsherberg, die sich, nachdem die österreichischen<br />

Wachen desertiert waren, eines Waffenlagers bemächtigt und gegen Wien<br />

in Marsch gesetzt hatten. Nicht minder groß war die Gefahr auf den Eisenbahnen.<br />

Da brachte jeder Eisenbahnzug hungerilde, undisziplinierte bewaffnete<br />

Heimkehrer von der Front; täglich wurde auf den Bahnhöfen geschossen,<br />

täglich drohte die Gefahr der Plünderung der Städte durch<br />

slawische und magyarische Heimkehrer, die durch deutschösterreichisches<br />

Gebiet ihrer Heimat zustrebten. Nur die Aufstellung einer neuen bewaffneten<br />

Macht konnte die volle Anarchie verhindern.<br />

Der Staatsrat versuchte zunächst die Reste der Garnisonen der alten<br />

Armee in seinen Dienst zu stellen. Sie wurden auf die provisorische Verfassung<br />

beeidigt. Und da die Wiederherstellung der Autorität der Offizierezunächst<br />

aussichtslos erschien, forderte der Staatsrat selbst die Mannschaften<br />

auf, Soldatenräte aus ihrer Mitte zu wählen, die Ordnung und<br />

Disziplin in den Kasernen herstellen sollten. Aber diese ersten Bemühungen<br />

blieben erfolglos. Die Soldaten leisteten den Eid und liefen dennoch,<br />

auseinander, zu Weib und Kind. Die Reservisten bei den Fahnen zurückzuhalten<br />

war unmöglich. Es gab nur einen Ausweg: gegen Sold Freiwillige<br />

anzuwerben und aus ihnen eine neue Wehrmacht zu formieren. So<br />

ordnete der Staatsrat am 3. November, dem Tage des Abschlusses des<br />

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