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Aber so hart der Druck dieser nationalen Fremdherrsctiaft auch war,<br />
die wirtschaftliche und soziale Entwicklung wurde durch ihn nicht behindert.<br />
In Posen, dessen Bauern weit früher zu freien Grundeigentümern<br />
geworden waren, wo Landwirtschaft und Volksbildung weit höhere Entwicklungsstufe<br />
erreicht hatten als in den beiden anderen Anteilen, erwachte<br />
im Kampf gegen die germanisierende Schulpolitik und Ansiedlungspolitik<br />
der preußischen Regierung der polnische Bauer. Seit den achtziger^<br />
Jahren entwickelte sich unter der Führung der katholischen Geistlichkeit<br />
ein dichtes Netz von Bauernvereinen und bäuerlichen Genossenschaften.<br />
„Große Politik" war nicht die Sache des Posener Bauern; aber im zähen<br />
Kleinkrieg verteidigte er die Nationalität und den Grundbesitz der Volksmasse<br />
und durchkreuzte er alle Pläne der Ansiedlungspolitik.<br />
In derselben Zeit, in der in Preußisch-Polen die Führung der Nation aus<br />
den Händen des Adels in die der Bauernschaft überging, entwickelte sich in<br />
Russisch-Polen dank der russischen Schutzzollpolitik seit 1877 eine bedeutende<br />
Industrie, mit der die industrielle Bourgeoisie aufstieg. Sie entwickelte<br />
sich im heftigen Gegensatz gegen die gewaltsame und korrupte<br />
russische Bürokratie. Aber auf den breiten russischen Markt angewiesen,<br />
mit dem Handel und der Industrie Petersburgs, Moskaus, Rigas eng verknüpft,<br />
stand sie unter starkem Einfluß der russischen Gesellschaft.<br />
Genoß Gaiizien ungleich mehr nationale und politische Freiheit als die<br />
beiden anderen Anteile, so blieb es doch wirtschaftlich und sozial weit<br />
hinter ihnen zurück. Es hatte keine starken Bauernorganisationen wie der<br />
preußische, keine aufstrebende industrielle Bourgeoisie wie der russische<br />
Anteil. Hier blieben bis 1914 die Macht im Lande und die Führung der<br />
Nation in den Händen des Adels. Wohl stand auch hier schon seit dem<br />
Anfang der neunziger Jahre der Adelsherrschaft eine allmählich erstarkende<br />
Opposition gegenüber. Aber Träger dieser Opposition war weder<br />
die Bauernschaft noch die industrielle Bourgeoisie, sondern die kleinbürgerliche<br />
Intelligenz, der das polnische Schulwesen Galiziens die revolutionär-patriotischen<br />
Traditionen der polnischen Emigration von 1831 und<br />
1863, die großen Überlieferungen Mickiewicz' und Slowackis vermittelte.<br />
An diese Überlieferung knüpfte die neuromantische Literatur, knüpften die<br />
Wyspiaiiski und 2eromski, an sie knüpfte die neue historische Schule<br />
Aszkenazys an; so erwuchs diese Intelligenz irn Traum von dem revolutionär-patriotischen<br />
Kampfe um die Wiederherstellung eines unabhängigen<br />
Polen. In diesem Kampfe gegen die Adelsherrschaft konnte sich die<br />
Intelligenz nur auf die Arbeiterbewegung stützen, die, jung, unentwickelt,<br />
auf kerne breite industrielle Basis gestützt, unter die Führung der revolutionär-patriotischen<br />
Intelligenz geriet und sich mit ihren Idealen erfüllte.<br />
So ging die Entwicklung in den drei Anteilen schon grundverschiedene<br />
Wege, als der Russisch-Japanische Krieg im Jahre 1905 die erste russische<br />
Revolution auslöste. Das Königreich Polen ward von dem mächtigen Strom<br />
der russischen Revolution mitgerissen. Die Arbeiter erhoben sich, gewaltige<br />
Generalstreiks erschütterten das Land, Straßenkämpfe schüchterten die<br />
besitzenden Klassen ein. Die erschreckte polnische Bourgeoisie flüchtete<br />
unter den Schutz der Bajonette des russischen Zaren. Die Revolution wurde<br />
niedergeworfen. Aber ihre Schrecken wirkten nach. Die polnische Bourgeoisie<br />
wußte nun, daß jeder Aufstand gegen den Zarismus das Prole-<br />
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