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Renners an, die eine demokratische Verwaltungsreförm als Grundlage der<br />
Umgestaltung Österreichs in einen NationaUtätenbundesstaat forderte, ohne<br />
daß auch nur die auf dem Parteitag anwesenden Vertreter der „Linken"<br />
dagegen Einspruch erhoben hätten. Erst die Ereignisse des Jänner 1918<br />
machten die deutschösterreichische Arbeiterschaft mit dem Gedanken des<br />
Selbstbestimmungsrechtes der Nationen vertraut.<br />
In Brest-Litöwsk verhandelten die Vertreter der Mittelmächte mit der<br />
Delegation der Sowjetrepublik über den Frieden. Gegen alle die „Angliederungs"-Pläne<br />
des deutschen und des österreichischen Imperialismus verfocht<br />
Trotzki das Selbstbestimmungsrecht Polens, Litauens und Kurlands.<br />
Am 12. Jänner schlug der General Hoffmann mit der Faust drohend auf<br />
den Verhandlungstisch; die Protestversammlungen, die die Partei am<br />
folgenden Tage in Wien veranstaltete, zeigten die leidenschaftliche Erregung<br />
der Massen über den imperialistischen Vorstoß der deutschen Obersten<br />
Heeresleitung gegen die Sowjetrepublik. Die Erbitterung über die Verschleppung<br />
der Friedensverhandlungen wurde durch eine schwere Krise<br />
des Ernährungsdienstes verschärft. Als am 14. Jänner 1918 die Mehlration<br />
auf die Hälfte herabgesetzt wurde, traten die Arbeiter in Wiener-Neustadt<br />
in den Streik. Am folgenden Tage griff der Streik auf Ternitz, Wimpassing,<br />
Neunkirchen, das Triestingtal und St. Polten über. Die Bewegung breitete<br />
sich ungeregelt von Betrieb zu Betrieb, von Ort zu Ort aus. Der Parteivorstand<br />
beschloß, sie zu vereinheitlichen und ihr ein politisches Ziel zu<br />
geben. Am 16. Jänner veröffentlichte die „Arbeiter-Zeitung" ein Manifest<br />
der Parteivertretung, das erklärte, das Volk wolle nicht „den Krieg gegen<br />
Rußland zu dem Zweck weiterführen, damit der Kaiser von Österreich<br />
zum König von Polen gewählt werde und damit der König von Preußen<br />
wirtschaftlich und militärisch über Kurland und Litauen verfüge". Das<br />
Manifest schloß mit den Worten:<br />
„Darum fordern wir euch. Arbeiter und Arbeiterinnen, auf, überall und immer<br />
wieder laut und nachdrücklich eure Stimme zu erheben und mit uns zu kämpfen:<br />
Für die schleunigste Beendigung des Krieges!<br />
Für den Frieden ohne offene und ohne verhüllte Eroberungen!<br />
Für den Frieden auf der Grundlage des unverfälschten Selbstbeslimmungsrechtes<br />
der Völker!"<br />
Es zeugte von der tiefen Wandlung, die sich bereits vollzogen hatte, daß<br />
die Parteivertretung dieses Manifest erließ und daß die Zensur es, einer<br />
von Viktor Adler und Seitz dem Ministerpräsidenten Seidler aufgezwungenen<br />
Weisung gemäß, nicht mehr zu unterdrücken wagte. Der niederösterreichische<br />
Streik hätte wohl auch ohne dieses Manifest Wiener Betriebe<br />
mitgerissen; das Manifest aber vereinheitlichte die ganze Bewegung. Am<br />
16. Jänner trat die ganze Wiener Arbeiterscha.c in den Streik. Am 17. und<br />
18. Jänner wurden auch die oberösterreichischen und die steirischen Industriegebiete<br />
von der Bewegung erfaßt. Am 18. Jänner trat auch die ungarische<br />
Arbeiterschaft in den Ausstand. Die Riesenmasse der Streikenden,<br />
die wilde revolutionäre Leidenschaft ihrer Massenversammlungen, die Wahl<br />
der ersten Arbeiterräte in den Streikversammlungen — all das gab der Bewegung<br />
grandiosen revolutionären Charakter und weckte in den Massen die<br />
Hoffnung, den Streik unmittelbar zur Revolution steigern, die Macht an<br />
sich reißen, den Frieden erzwingen zu können.<br />
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