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•sozialen. In dem Maße, als der „Heimkehrer" wieder 7.uni Bauern geworden<br />
war, als die bäuerliche Bewegung den starken demokratischen Charakter<br />
der Umslur'zzeit verloren und sich immer einseitiger gegen die Arbeiterklasse<br />
gewendet hatte, war dieser Gegensatz überwunden worden. Es w^ar<br />
den Wiener Klerikalen gelungen, die bäuerlichen Abgeordneten allmählich<br />
wieder ihrer Führung unterzuordnen. Der Prälat Seipel wurde zum tatsäclilichen<br />
Führer der christlichsozialen Partei. So trat die christlichsoziale<br />
Partei in die zweite Koalition viel gefestigter ein als in die erste. Die erste<br />
Koalition war eine Klassenallianz der Arbeiter mit den Bauern. Die zweite<br />
Koalition war eine banale Parteienkoalition der Sozialdemokraten mit den<br />
Christlichsozialen.<br />
Die Sozialdemokratie teilte die Herrschaft nun nicht mehr mit den<br />
Vertretern der Bauernschaft, sondern mit dem durch die städtischen<br />
Christlichsozialen repräsentierten Teil des Bürgertums, der nun wieder die<br />
bäuerlichen Stimmen kommandierte. Das Selbstbewußtsein dieses Bürgertums<br />
aber war bereits mächtig erstarkt, seitdem es, nach den Siegen der<br />
Konterrevolution in Ungarn und in Bayern, vor der proletarischen<br />
Revolution nicht mehr zitterte. Es beengte die Aktion der neuen Regierung<br />
durch die Koalitionsvereinbarungen, die bei der Bildung der neuen<br />
Regierung geschlossen wurden, und durch das Koalitionskomitee, unter<br />
dessen Kontrolle die Tätigkeit der neuen Regierung gestellt wurde. Alle<br />
wichtigen Regierungsakte und Gesetzesvorlagen mußten nunmehr im<br />
Koalitionskomitee zwischen den beiden Parteien vereinbart werden. Im<br />
Koalitionskomitee hielten die Kräfte beider Parteien einander die Wage.<br />
Die erste Regierung Renner war das Organ der Vorherrschaft der Arbeiterklasse<br />
gewesen; in der zweiten Koalitionsregierung, an deren Spitze<br />
gleichfalls Renner als Staatskanzler stand, herrschte bereits ein Gleichgewichtsverhältnis<br />
zwischen den Kräften der in ihr vertretenen Klassen.<br />
Nun folgte ein unfruchtbarer Stellungskrieg zwischen den beiden<br />
koalierten Parteien. Jede der beiden Parteien war stark genug, die andere<br />
am Handeln zu hindern, keine stark genug, der anderen ihren Willen<br />
aufzuzwingen. Die Aktionskraft der Regierung und der Gesetzgebung war<br />
gelähmt. Der Friedensvertrag zwang uns,., unsere Wehrverfassung zu<br />
ändern. Die Konstituierende Nationalversammlung mußte, nachdem der<br />
Friedensvertrag unser Staatsgebiet umgrenzt und uns den Anschluß an<br />
Deutschland verwehrt hatte, der Republik ihre Verfassung geben. Die<br />
Geldentwertung erforderte Maßregeln, die den zerrütteten Staatshaushalt<br />
in Ordnung bringen sollten; über die von der Sozialdemokratie geforderte<br />
Vermögensabgabe mußte die Entscheidung fallen. Aber über alle diese<br />
Probleme konnten sich die koalierten Parteien nicht einigen. Die Maschine<br />
der Gesetzgebung stand still.<br />
Koch einmal gelang es, diesen Lähmungszustand zu überwinden. Es<br />
tedurfte dazu eines mächtigen äußeren Anstoßes. Am 13. März 192Ü<br />
wurde in Österreich der Einmarsch der Döberitzer Truppen in Berlin,<br />
der Putschversuch der reichsdeutschen Konterrevolution, bekannt. Die<br />
Massen sahen die deutsche Republik bedroht. Die Massen begriffen sofort,<br />
daß damit auch die österreichi?che Republik in Gefahr geriet. Große Erregung<br />
packte die Betriebe und die Kasernen. Schon am folgenden Tage<br />
demonstrierten die Volkswehrbataillone und die Arbeitermassen auf der<br />
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