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Reiches zu retten, konnte Habsburgs Herrschaft nur nocli das Gegenteil<br />
bedeuten: die Eingliederung Deutschösterreichs in ein von Ungarn<br />
beherrschtes, der Entente gegen Deutschland dienstbares Reich. So verschieden<br />
die Beweggründe auch v/aren: Deutschnationale und Sozialdemokraten<br />
waren nunmehr darüber einig, daß sich Deutschösterreich nunmehr,<br />
ohne sich um die kaiserlichen Rechte und die kaiserliche Regierung zu<br />
kümmern, eine provisorische Verfassung geben, eine nationale Regierung<br />
einsetzen, die tatsächliche Regierungsgev/alt im deutschösterreichischen<br />
Gebiet an sich reißen müsse. Zu diesem Zwecke wurde für den 30. Oktober<br />
'die Provisorische Nationalversammlung einberufen; die Sozialdemokratie<br />
aber forderte die Arbeiterschaft auf, an diesem Tage um 3 Uhr nachmittag<br />
die Arbeit einzustellen und zum Landhaus, wo die Nationalversammlung<br />
^zusammentreten sollte, zu ziehen.<br />
Der Kaiser sah, daß sich das Schicksal der Dynastie zu vollenden<br />
drohte. Er geriet auf den verzweifelten Einfall, an die Treue der Soldaten<br />
zur Dynastie zu appellieren. Am 29. Oktober telegraphierte das Armeeoberkommando<br />
an die Truppen:<br />
„Bestrebungen der Nationalräte gehen dahin, die republikanische Staatsform<br />
in den zu schaffenden Gebieten zu propagieren. Hierüber wird aber die<br />
Armee im Felde nicht befragt, die alle IVIänner vom 18. bis 50. Lebensjahr umfaßt<br />
und eigentlich die Völker repräsentiert.<br />
Telegraphische Kundgebungen von Truppen und Formationen aller Nationalitäten<br />
erwünscht, die ohne Zwang durch Offiziere für Monarchie und Dynastie<br />
sich aussprechen. Solclie sofort an das Armeeoberkommando leiten, das sofort<br />
für Weiterbeförderung sorgen wird.<br />
Sehr dringend sind solche deutscher Nationalität, da am 30. mittags entscheidende<br />
Sitzung des deutschen Nationalrates in, Wien stattfindet."<br />
Die Fronttruppen erreichte diese Frage des Kaisers nicht mehr. In der<br />
'Etappe ließen einzelne Kommandanten Mannschaft und Offiziere über Monarchie<br />
oder Republik abstimmen. Sie beschleunigten damit nur den Auflösungsprozeß<br />
in der Truppe.<br />
Gewaltige Massen folgten am 30. Oktober unserem Ruf. In eine Unzahl<br />
von Riesenversammlungen löste sich die Kundgebung vor dem alten Hause<br />
der niederösterreichischen Landstände auf. Die Republik und die Befreiung<br />
Friedrich Adlers aus dem Kerker waren die Forderungen des Tages. Soldaten<br />
in großer Zahl waren unter den Demonstranten. In den Abendstunden zogen<br />
ungeordnete Massen von Soldaten und jungen Leuten durch die Stadt. Sie<br />
rissen die kaiserlichen Adler von den Häusern. Die Soldaten rissen die<br />
Rosetten mit dem kaiserlichen Namenszug von ihren Kappen; sie zwangen<br />
ihnen begegnende Offiziere, dasselbe zu tun.<br />
Indessen tagte im Landhause die Provisorische Nationalversammlung.<br />
Sie beschloß, was die Masse auf der Straße stürmisch forderte. Zwar vermied<br />
man es noch, die Republik förmlich zu proklamieren; noch hielten<br />
'die bürgerlichen Parteien daran fest, daß erst die Konstituierende Nationalversammlung<br />
über die Staatsform entscheiden könne. Tatsächlich aber<br />
beschloß die Provisorische Nationalversammlung bereits an diesem Tage<br />
eine republikanische Verfassung. Der Beschluß über „die grundlegenden<br />
Einrichtungen der Staatsgewalt" besagte: Das Recht der Gesetzgebung übt<br />
die Provisorische Nationalversammlung aus. Die Regierungs- und Vollzugsgewalt<br />
überträgt die Nationalversammlung einem von ihr gewählten S'aats-<br />
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