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jüem slawisch-feudalen Regierungssystem folgte nunmehr das deutschbürokratische.<br />
Die Tschechen hatten eine schwere Niederlage erlitten.<br />
Aber nun griffen sie zu der Waffe, die die Deutschen mit so großem Erfolg<br />
gebraucht hatten. Die deutsche Obstruktion wurde von der tschechischen<br />
abgelöst. Das österreichische Parlament ist ihrer nie mehr ledig geworden.<br />
Die Periode der nationalen Obstru!ition hat immer breitere Volksmasen<br />
mit den Leidenschaften des nationalen Kampfes erfüllt, die Nationen einander<br />
immer tiefer verfeindet, die internationalen Bindungen immer vollständiger<br />
aufgelöst. War der Nationalismus zunächst von der Intelligenz<br />
und ihrer kleinbürgerlichen Gefolgschaft -getragen, so gelang es ihm mit<br />
der Verschärfung der nationalen Kämpfe allmählich, auch die anderen<br />
Klassen der Führung des nationalistischen Bürgertums unterzuordnen.<br />
Zuerst erlag ihm die Bauernschaft. Deutsche und slav/ische klerikale<br />
Bauernabgeordnete, bis 1895. im Hohenwart-Klub zu einer Partei vereinigt,<br />
wurden auseinandergerissen, in die „nationale Gemeinbürgschaft" mit den<br />
bürgerlichen nationalen Parteien hineingezwungen und damit der Führung<br />
des nationalistischen Bürgertums untergeordnet. Dann wurde die Beamtenschaft<br />
in den nationalen Kampf hineingezerrt. Die Landsmannministerien<br />
und die nationalen Volksräte machten einander jede Beamtcnstclle streitig,<br />
das individuelle Interesse des einzelnen Beamten an seinem Avancem.ent<br />
wurde an das nationale Interesse im nationalen Machtkampf gebunden,<br />
die Beamtenschaft begann sich den nationalen Volksräten unterzuordnen.<br />
Die tschechischen Beamten führten „via facti" die durch die Claryschen<br />
Sprachenverordnungen aufgehobene innere tschechische Amtssprache<br />
wieder ein. Die deutschen Richter setzten die durch die Stremayerschen<br />
Sprachenverordnungen eingeführten Rechte der tschechischen Sprache<br />
außer Wirksamkeit. Endlich griff der Nationalismus auch auf die Arbeiterschaft<br />
über. Solange das tschechische Bürgertum die feudalen Regierungen<br />
Badeni und Thun gestützt hatte, stand die tschechische Arbeiterschaft im<br />
heftigsten Kampfe gegen sie; sobald nach 1899 das tschechische Bürgertum<br />
im heftigsten Kampfe gegen die deutsch-bürokratischen Regierungen stand,<br />
geriet die tschechische Arbeiterschaft immer stärker unter den Einfluß des<br />
tschechischen Nationalismus; der tschechische Separatismus sprengte die<br />
österreichische Internationale. So entAvickelte der fünfzehnjährige Kampf<br />
des tschechischen Bürgertimis gegen die deutsch-bürokratischen Regierungen<br />
von Clary bis Stürgkh allmählich die Kräfte, die über alle Klassenund<br />
Parteigegensätze hinweg die ganze Nation geeint dem österreichischen<br />
Regierungssystem entgegenstellten.<br />
Noch einmal wurde diese Entwicklung unterbrochen. Das Kurienparlament<br />
hatte durch die nationale Obstruktion alle Wirkensmöglichkeit<br />
verloren. Die Siege der russischen Revolution von 1905 gaben dem Wahlrechtskampf<br />
des österreichischen Proletariats neue Wucht. Der Konflikt<br />
des Kaisers mit dem ungarischen Adelsparlament hatte 1905 in Ungarn<br />
zur Einsetzung der Regierung Fejerväry-Kristoffy geführt, die die<br />
rebellierende magyarische Gentry mit der Drohung, das allgemeine<br />
Wahlrecht einzuführen, schreckte; um das ungarische Adelsparlament<br />
einzuschüchtern, gestand der Kaiser in Österreich das allgemeine und<br />
gleiche Wahlrecht zu. Die demokratische Wahlreform entfesselte mächtige<br />
Gegenkräfte gegen den Nationalismus. Nach den Wahlen von 1907<br />
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