eingescanntes Buch (PDF) - WordPress – www.wordpress.com
eingescanntes Buch (PDF) - WordPress – www.wordpress.com
eingescanntes Buch (PDF) - WordPress – www.wordpress.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hatte vor dem Zusammenbruch vornehmlich auf den Zufuhren aus den<br />
Sudetenländern, Galizien und Ungarn beruht; nunmehr von diesen Gebieten<br />
abgeschnitten, mußte Wien weit mehr Nahrungsmittel, Brennholz und Rohstoffe<br />
als vordem von den innerösterreichischen Ländern beanspruchen.<br />
Und das gerade in einer Zeit, in der in Wien infolge des Kohlen- und Rohstoffmangels<br />
die Produktion ruhte; in der Wien daher den Ländern, deren<br />
Agrarprodukte es beanspruchte, keine Gegenleistung zu bieten vermochte.<br />
Wien mußte daher den Ländern als ein Parasit erscheinen, der, ohne<br />
selbst zu arbeiten, von ihrem Körper zehren wollte. Die Länder, die selbst<br />
an allem Notwendigen Mangel hatten, setzten sich gegen die Ansprüche<br />
Wiens zur Wehr. Die Arbeiterschaft selbst machte damit den Anfang. Die<br />
Arbeiterräte verhinderten die Ausfuhr von Nahrungsmitteln aus den einzelnen<br />
Ländern; ihre Kontrollorgane übernahmen die Bewachung der<br />
Eisenbahnlinien. Die Bauernschaft unterstützte diese Absperrungspolitik der<br />
Arbeiterräte. Ihr erschien die verhaßte Kriegswirtschaft, die die Republik<br />
aufrechterhielt, als ein Requisitionsapparat, dazu bestimmt, die Länder<br />
zugunsten Wiens zu plündern. Die Losreißung von Wien bedeutete ihr vor<br />
allem die Befreiung von der Kriegswirtschaft. Konnte sie aber die Kriegswirts'chaft<br />
nicht sofort zertrümmern, so wollte sie wenigstens die Ablieferung<br />
auf das zur Versorgung der Städte des eigenen Landes erforderliche Maß<br />
reduzieren; sie wollte nicht neben den Städten im eigenen Lande auch noch<br />
Wien ernähren. So heftig die Kämpfe zwischen Arbeiterräten und Bauernräten<br />
um die Ablieferung waren, darin waren sie einig, daß das Abgelieferte<br />
nicht über die Landesgrenzen ausgeführt werden solle. Der Kampf zwischen<br />
der Arbeiterschaft und der Bauernschaft um den Fortbestand der Kriegsv/irtschaft<br />
führte zunächst zur Verländerung der Kriegswirtschaft. Die<br />
Länder sperrten sich gegeneinander und gegen Wien ab. Der Auflösung<br />
des großen österreichisch-ungarischen Wirtschaftsgebietes in die nationalen<br />
Wirtschaftsgebiete folgte die Auflösung des deutschösterreichischen Wirtschaftsgebietes<br />
in die zwerghaften Wirtschaftsgebiete der Länder.<br />
Die neuen autonomen Landesregierungen, die aus der Revolution hervorgegangen<br />
waren, waren die Zentren dieses wirtschaftlichen Partikularismus.<br />
Da sich die Staatsregierung gegen die wirtschaftliche Absonderung der<br />
Länder zur Wehr setzen mußte, gerieten die Landesregierungen in schroffen<br />
Gegensatz gegen sie. Sie verweigerten ihren Weisungen den Gehorsam. Sie<br />
drohten mit dem Abfall von Vfien. Die Bourgeoisie förderte die Auflehnung<br />
der Länder gegen die Staatsregierung; in den industriearmen Ländern fand<br />
sie in der großen bäuerlich-bürgerlichen Mehrheit das feste Bollwerk gegen<br />
die von dem Wiener Proletariat beherrschte Staatsregierung. Hatte die<br />
elementare Aktion der Arbeiterräte selbst den wirtschaftlichen Partikularismus<br />
der Länder gefestigt, so w^ar es nun eben der Länderpartikularismus,<br />
in dem sich die Bourgeoisie, auf die Bauernschaft gestützt, gegen<br />
die in Wien konzentrierte Kraft der proletarischen Revolution zu verschanzen<br />
begann.<br />
Deutschösterreich zerfällt in zwei an Volkszahl beinahe gleiche Gebiete:<br />
einerseits das große Industriegebiet, das Wien, das Viertel unter dem<br />
Wienerwald und Obersteiermark umfaßt; anderseits das große Agrargebiet,<br />
das alle anderen Länder bilden. In dem großen Industriegebiet war alle<br />
tatsächliche Macht in den Händen des Proletariats. In dem großen Agrar-<br />
— 125 —