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„Bei einer nivision ist das Durchschnitlskörpcrgcwicht des Mannes<br />
50 Kilogramm", meldete das Kommando der 6. Armee. „Monatelange Aufbesserung<br />
der Verpflegung wäre not\v(>ndig, um die Armee erst wieder<br />
zum Bewegungskrieg physisch fähig zu machen", meldete dasselbe<br />
Kommando. „Jeder Deserteur im Hinterland, selbst wenn er in den<br />
Wäldern versteckt leben muß, kann sich besser ernähren als der Sdldat<br />
an der Front", damit erklärten Offiziere und Mannschaften dem Verbindungsoffizier<br />
des Oberkommandos die Zunahme der Desertion.<br />
Wie mit der Ernährung stand es mit der Bekleidung. „Jeder Mann<br />
besitzt durclischnittlich eine Garnitur Wäsche. Es kommen aber Fälle<br />
vor, wo nicht einmal mehr eine volle Garnitur vorhanden ist, da Hemd<br />
oder Unterhose fehlen. Man muß diese Wäsche gesehen haben, um erst<br />
einen Begriff über das Elend zu bekommen! Der eine hat keine Ärmel<br />
mehr am Hemd, dem anderen fehlt der Rückenteil, der dritte besitzt nur<br />
halbe Unterhosen oder Fragmente von Fußfetzen ... Bei einem Frontregiment<br />
fehlt jedem dritten Mann der Mantel", so meldete der der Isonzoarmee<br />
zugeteilte Generalstabsoffizier des AOK. „Der ärmste Bosniak<br />
schämt sich vor der venezianischen Zivilbevölkerung seiner Lumpen;<br />
Mannschaften aus den ärmsten Gegenden Dalmatiens sagen: Mi nismo<br />
junaci, nego prosjaci (Wir sind nicht Helden, sondern Bettler)", fügte<br />
derselbe Offizier hinzu.<br />
Mit unzulänglicher technische^ Rüstung sah sich der Soldat dem Feinde<br />
preisgegeben. Die feindliche Artillerie donnerte die Infanteriestellungen<br />
nieder. "^Die eigene Artillerie mußte schweigen, weil ihr Munitionsnachschub<br />
längst versiegte. Unmittelbar vor feindlichem Angriff mußten viele-<br />
Geschütze aus der Stellung gezogen werden, weil es an Pferden fehlte, sie<br />
zu bespannen. Im Luftkampf war der Feind weit überlegen; der Infanterist<br />
sah sich ohne Schutz dem feindlichen Flieger preisgegeben.<br />
All das lastete auf den Seelen. Die schwachen Stände erlaubten nicht<br />
hinreichend häufige Ablösung, hinreichend häufigen Urlaub. Den jungen<br />
Burschen, die man aus den Mittelschulen geholt und über alte Familienväter<br />
als Kommandanten gesetzt, fehlte jede moralische Autorität. Jeder<br />
Brief aus der Heimat erzählte von der Verzweiflung der Frauen, von dem<br />
Hunger der Kinder. Und mitten in all der Verzweiflung sah der Mann bei<br />
den höheren Stäben aufreizende Gelage, hörte er von den Profiten des<br />
Kriegsgewinnertums daheim, wußte er in den Kanzleien des Hinterlandes<br />
die Unentbehrlichen zu Hunderttausenden in Sicherheit .<br />
. ..<br />
Die Mannszucht begann sich zu lösen. In Bergen und Bauerngehöften<br />
hielten sich Heere von Deserteuren versteckt. Zwischen den Fronten fuhren<br />
Heere von Drückebergern, Geschäfte machend, hin und her. In den Wäldern<br />
des Südens sammelten sich die „grünen Kaders".<br />
'Mit dieser Armee hatte man im Juni noch eine Offensive gewagt. Sie<br />
hatte um den Preis furchtbarer Menschenopfer nichts gebracht als den Beweis<br />
der sich vollziehenden Auflösung. Nun wußte es jeder: es ging dem<br />
Ende zu.<br />
Freilich, österreichisch-ungarische Niederlagen war man seit dem Beginn<br />
des Krieges gewöhnt. In der Stunde der Not hatten deutsche Heere den<br />
vom Kriegsbeginn an geschlagenen Verbündeten immer wieder gerettet.<br />
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