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Seiteneinrichtung Word Standard - Max-Planck-Gymnasium

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Brief von Mutti an unsere Großmutter Kunigunde Lotze während ihres ersten Aufenthaltes<br />

in Saarhausen, begleitet von Onkel Karl und Tante Elisabeth:<br />

Saarhausen, den 23. März 1946<br />

Meine liebe Mutter!<br />

Nun weile ich auf dem schönen Fleckchen Erde, das mir durch Gerds Aufenthalt schon in den<br />

wenigen Tagen so lieb geworden und durch sein Sterben heilig geworden ist. Ich grüße Dich<br />

als Mutter meines lieben Gerd von hier aus besonders innig.<br />

Es tut mir unendlich leid, dass Du, liebe Mutter, diese Stätte nicht kennen lernen kannst, wo<br />

Gerd zuletzt gewirkt, sein Leben ausgehaucht hat und begraben liegt. Es ist ein tiefes Erlebnis<br />

dieses schlichte Soldatengrab - von der Familie Düro so liebevoll mit Birkenkreuz, Stahlhelm<br />

und Tannengrün geschmückt - im Frieden des Waldes.<br />

Wir haben auch gleich Gerds Schützenloch erkannt, das er unseren Kindern aufgezeichnet<br />

hatte. Schräg gegenüber ist Gerd gefunden worden. Er soll eine Kopf- und Schulterverletzung<br />

aufgewiesen haben. Bei Untersuchungen, die Karl gestern Nachmittag anstellte, hat Karl in<br />

der Nähe von Gerds Schützenloch einen Stahlhelm gefunden, der einige Löcher durch Granatsplitter<br />

zeigte. Wir nehmen mit ziemlicher Sicherheit an, daß es Gerds Stahlhelm war. Danach<br />

darf man wohl hoffen, daß unser lieber Gerd durch Granatsplitter am Kopf gleich tot<br />

gewesen ist, und er sich nicht mehr hat quälen brauchen. Ja - er hat nun alles Erdenleid ü-<br />

berwunden und ruht im ewigen Frieden. Die beiden Männer, die Gerd mit Herrn Düro zusammen<br />

begraben haben, leben auch nicht mehr, sie sind im Walde auf eine Mine geraten, die<br />

noch in rauen Mengen im Walde liegen. Die Bäume rund herum von Gerds Schützenloch zeigen<br />

viele Schäden durch Artilleriebeschuss. Gerds letzte Eintragung in sein Tagebuch am 11.<br />

März 1945 spricht auch von starkem feindlichen Artilleriebeschuss. Sie lautet: "In den Vormittagsstunden<br />

wird meine Stellung stark von der feindlichen Artillerie beschossen. Nachmittags<br />

während meiner Wache ist es ruhiger. Ich vertiefe mich in Predigtnotizen. Es ist trocken<br />

aber kalt. "<br />

Den Abiturienten, der mit Gerd das Schützenloch teilte, haben wir durch sein Tagebuch auch<br />

namentlich festgestellt. Leider wissen wir nun noch nicht seinen Wohnort, aus einem Brief<br />

von Gerd ging hervor, dass er aus dem Saargebiet stammt. Wir wollen in der Saarbrückener<br />

und Trierer Zeitung noch eine Annonce aufgeben, durch die wir hoffentlich noch etwas in Erfahrung<br />

bringen können.<br />

Wie uns Düros erzählten, hat Gerds Einheit noch bis Mitte März die Höhe gehalten, nachdem<br />

der Feind schon seit Anfang Februar in den umliegenden Ortschaften festsaß. Gerd hat noch<br />

im allerletzten Augenblick sein Leben lassen müssen, sonst wäre er doch sicherlich noch von<br />

Kameraden begraben worden. Wir müssen ja so dankbar sein, dass Gerd seine Papiere alle<br />

noch so schön bei sich gehabt hat und dadurch seine Personalien festgestellt werden konnten,<br />

sonst hätten wir nie wieder etwas von Gerd gehört. Die Angehörigen von den toten Soldaten,<br />

die hier noch auf Tabener Gebiet gefunden sind, haben bis jetzt noch nicht benachrichtigt<br />

werden können, da nur die Erkennungsmarken vorhanden sind. Einige Soldaten hat man ü-<br />

berhaupt noch nicht bergen können, da sie in Minenfeldern liegen. Ist das nicht furchtbar?<br />

Dann müssen wir trotz aller Trauer um unseren lieben Gerd noch wieder dankbar für die<br />

Gewissheit sein.<br />

Als wir auf der Hinreise in dem Frankfurter Zug saßen, kamen wir mit einer Dame aus Oldenburg<br />

ins Gespräch, die eigenartigerweise zu dem selben Zweck ins Saargebiet fuhr. Sie<br />

wollte das Grab ihres Mannes aufsuchen, der am 19. März seinen Todestag hatte. Auch sie<br />

hatte den Gedanken, ihren Mann in die Heimat überführen zu lassen. Leider mussten wir vorgestern<br />

in Saarburg am Gesundheitsamt erfahren, wo wir uns einen Leichenpass und eine<br />

Unbedenklichkeitsbescheinigung besorgen wollten, daß seit Dezember vom Regierungspräsidenten<br />

in Trier ein Überführungsverbot besteht, außerdem wäre eine Überführung aus dem<br />

Grunde noch unmöglich, da die Bahnlinie von Saarbrücken nach Taben noch unterbrochen<br />

ist.<br />

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