Seiteneinrichtung Word Standard - Max-Planck-Gymnasium
Seiteneinrichtung Word Standard - Max-Planck-Gymnasium
Seiteneinrichtung Word Standard - Max-Planck-Gymnasium
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Text 2<br />
Die Franzosen kommen<br />
"Am 7. Mai zog Amerika ab und Saarburg bekam einen französischen Kreisdeputierten mit<br />
Zubehör; es begann die zweite Periode der Besatzung - die französische! Ihr Höhepunkt heißt<br />
Ruhrkrieg, Ausweisung, Inflation. Aus der Fülle der Ereignisse jener drangvollen Tage, in<br />
denen niemand wußte, ob er am folgenden Abend nicht vor Limburg oder Weilburg stand, nur<br />
einige der stärksten Erinnerungen:<br />
Am 7. Januar 1923 besetzten Marokkaner die Bahn "zur Sicherung des Einmarsches in das<br />
Ruhrgebiet". Dann bezogen Truppen eines Eisenbahnerregiments Standquartier."<br />
Der passive Widerstand<br />
"Am 27. Januar schlossen sich die Beamten Saarburgs den Erklärungen der Trierer Behörden<br />
vorbehaltlos an. Sie "halten es unter Berufung auf ihren Diensteid für selbstverständlich, daß<br />
sie in Konfliktsfällen nur den Anordnungen der deutschen Regierung Folge leisten werden".<br />
Es gärt! Schmunzelnd und mit stillem Behagen hört Saarburg, wie am 27. Januar ein gefürchteter<br />
französischer Dolmetscher mit echt deutschem Namen sein Licht in den Wirtschaften<br />
leuchten läßt, Pässe fordert, und dafür im stillen Winkel von dem berühmten "Unbekannten<br />
aus Saarhölzbach" bar ausbezahlt wird.<br />
Am 6. Februar stellen die deutschen Eisenbahner den Betrieb ein. Post- und Lastautos suchen<br />
den nötigsten Verkehr, besonders nach Trier, zu besorgen. Die französische Regie eröffnet<br />
den Bahnbetrieb. Es folgen die Schrecken der Ausweisung. Die Männer müssen meist innerhalb<br />
¼ - ½ Stunde am Bahnhof stehen; Frauen und Kinder folgen am vierten Tage. Der erste<br />
Ausgewiesene war der staatliche Forstmeister (8.2.); als zweiter folgte bald nachher der Landrat.<br />
Am 26. April verhängte der Delegierte der "Hohen interalliierten Kommission" in Trier<br />
wegen zwei "Sabotageversuchen" an der Eisenbahn bei Serrig und Schoden-Ockfen über diese<br />
Gemeinden den Belagerungszustand. Vom 29. April bis zum 6. Mai war jeder Verkehr von<br />
8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens untersagt. Die Bürgermeister wurden aufgefordert, "pflichtgemäß<br />
die Bevölkerung vor Wiederholung der Attentate auf die Schienenwege zu warnen",<br />
andernfalls erfolgten "strenge Sanktionen".<br />
Ende April mußten in Beurig 10 Eisenbahnerfamilien die Dienstwohnung räumen.<br />
Am 1. Mai wurde das Postauto nach Trier verboten, den Privatautos untersagt, Fremde mitzunehmen,<br />
"damit die Straßen nicht zu sehr belastet und verdorben würden". Man wollte die<br />
Bevölkerung zur Benutzung der Regiebahn zwingen. Sie ging fortan zu Fuß.<br />
Am 12. Mai erfolgte die Ausweisung der Zollbeamten in Saarburg. (Die Familien folgten<br />
nach vier Tagen.)<br />
Am 8. Juni schoß ein Marokkaner einen harmlosen Junggesellen aus Beurig, Nik. Weber, der<br />
mit einer Bürde Futter auf dem Pfad längs der Eisenbahn von Serrig her kam, mit drei Schüssen<br />
nieder. Sie schleiften den Ärmsten bis zum Bahnhof, man brachte ihn von dort auf einer<br />
Tragbahre zum Krankenhaus. Sechs Mann mit aufgepflanztem Bajonett begleiteten die Tragbahre<br />
mit dem "Saboteur". Der Ärmste starb; über die Gemeinde Beurig wurde wegen des<br />
"Sabotageversuches" auf zehn Tage der Belagerungszustand verhängt. Die Erregung war ungeheuer<br />
ob dieser "Justiz". Man biß auf die Zähne. Mehrere Tausend Menschen folgten am<br />
17. Juni dem Sarge in Ingrimm, in stummen und doch beredten Protest!<br />
Am 14. Juni wurden die Gemeinden aufgefordert, selbst den Schutz der Bahn zu übernehmen.<br />
Man sträubte und weigerte sich, solange es ging. Vorsteher und Gemeinderäte wanderten<br />
nach Trier ins Militärgefängnis. Besonders Beurig wurde hart gequält wegen seiner Unnachgiebigkeit.<br />
77