Bequemer als Backup Bequemer als Backup - Wuala
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aktuell | E-Voting<br />
Beglückung von oben<br />
Eine Volksbewegung für Internetwahlen<br />
gibt es nicht. In Österreich lehnt eine Mehrheit<br />
von 58ˇ% der Bürger E-Voting ab; lediglich<br />
ein Drittel der Befragten sprach sich<br />
in einer Umfrage vom November 2007<br />
dafür aus. Gleichwohl trieb die Große Koalition<br />
in Wien die Einführung voran. Die entscheidende<br />
Weichenstellung war durch die<br />
Einführung der allgemeinen Briefwahl im<br />
Juli 2007 erfolgt. Damit muss sich die Internetwahl<br />
hinsichtlich der Risiken nicht mehr<br />
an der Präsenzwahl messen, sondern kann<br />
<strong>als</strong> Alternative zur Briefwahl in Stellung gebracht<br />
werden, denn das Argument, die<br />
von der Öffentlichkeit nicht beaufsichtigte<br />
Stimmabgabe daheim begünstige den<br />
Stimmenkauf und die Einflussnahme von<br />
Familienmitgliedern auf die Wahlentscheidung,<br />
gilt für beide Wege zur Feststellung<br />
des Wählerwillens gleichermaßen.<br />
Im zweiten Schritt legte der Wissenschaftsminister<br />
und Wiener ÖVP-Chef Johannes<br />
Hahn den Entwurf einer Verordnung vor, um<br />
den Studierenden im Frühjahr 2009 die Wahl<br />
ihrer Vertretungen vom heimischen PC aus<br />
zu ermöglichen. Er fände es „unverständlich“,<br />
erklärte der studierte Philosoph und frühere<br />
Vorstandsvorsitzende des Glücksspielunternehmens<br />
Novomatic in seinem Geleitwort<br />
zur EVOTE08, dass in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung<br />
die Möglichkeiten des E-Voting<br />
nicht gewürdigt würden. „Wir müssen E-Voting<br />
<strong>als</strong> Chance betrachten, den Bürgern<br />
mehr Dienste anzubieten und die Wahlbeteiligung<br />
ebenso wie den Nutzen der direkten<br />
Demokratie zu steigern“.<br />
Die von dem Minister ins Feld geführte Steigerung<br />
der Wahlbeteiligung durch die Einführung<br />
eines zusätzlichen „Kan<strong>als</strong>“ zur<br />
Stimmabgabe wird in zahlreichen wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen allerdings bestritten.<br />
Auf der EVOTE08 in Bregenz berichtete<br />
Alicia Prevost von der American University<br />
in Washington, ihre eigenen empirischen<br />
Untersuchungen würden die in der<br />
Politikwissenschaft „nahezu einstimmig“ gewonnene<br />
Erkenntnis bestätigen, „dass Internetwahlen<br />
keine neuen Wähler anziehen“.<br />
Die Österreichische Hochschülerschaft<br />
(ÖH) ist von Hahns Vorhaben alles andere<br />
<strong>als</strong> begeistert. Sie sieht in dem Schritt eine<br />
„brutale Neudefinition des Wahlrechts im<br />
Zuge der bundesweiten E-Voting-Strategie“.<br />
In einem achtseitigen Schreiben legte<br />
die Bundesvertretung der Studierenden<br />
Ende Juli dem Minister dar, dass abgesehen<br />
von den technischen Manipulationsrisiken<br />
das Recht auf geheime und freie<br />
Stimmabgabe nicht gewährleistet werden<br />
könne. „Österreichs Studierende <strong>als</strong> Versuchskaninchen<br />
zu missbrauchen“, erklärte<br />
ÖH-Vorsitzender Samir Al-Mobayyed, sei<br />
„absolut inakzeptabel“.<br />
Österreichs Datenschutzrat kritisiert ebenfalls<br />
die Absicht Hahns, die Änderung per<br />
Verordnung auf den Weg zu bringen. In<br />
einer einstimmigen Erklärung zu dem Entwurf<br />
verlangt er, „dass es vor Einführung<br />
des E-Voting zuerst zu einer umfassenden,<br />
verfassungsrechtlichen Diskussion kommen<br />
müsste“ und fordert den Minister auf, von<br />
dem Projekt Abstand zu nehmen. Das Gremium<br />
betrachtet das technische Problem<br />
<strong>als</strong> nicht gelöst, „wie diametral entgegenstehende<br />
Forderungen nach einwandfreier<br />
Authentifizierung des Wählers auf der einen<br />
Seite und des in der Verfassung verankerten<br />
freien, geheimen und persönlichen Wahlrechts<br />
auf der anderen Seite beim E-Voting<br />
erfüllt werden können“.<br />
Unbeeindruckt von den Protesten haben<br />
die Wiener Ministerialen den nächsten<br />
Schritt jedoch schon in der Pipeline. Internetwahlen<br />
für die im Ausland lebenden<br />
Bürger sind ein Lieblingsprojekt des für die<br />
Auslandsösterreicher zuständigen Abteilungsleiters<br />
im Außenministerium, Thomas<br />
Buchsbaum. Man müsse sich auf die Zielgruppe<br />
mit dem größten Nutzen fokussieren,<br />
erklärte er auf der EVOTE08. Ist dieser<br />
Gruppe erst einmal die Möglichkeit eröffnet,<br />
wird man sie den anderen Bürgern<br />
dann schwerlich vorenthalten können.<br />
Durch das vorzeitige Ende der Wiener Regierungskoalition<br />
ist der Fahrplan allerdings<br />
etwas aus dem Ruder gelaufen. Jetzt stehen<br />
Ende September erst einmal die Neuwahl<br />
des Parlaments und anschließend die Bildung<br />
einer neuen Regierung an. Ob der<br />
Wiener ÖVP-Chef dann noch Wissenschaftsminister<br />
sein wird, muss sich zeigen.<br />
Echo. „Zertifizierungsverfahren sind ein Instrument<br />
zur Vertrauensbildung, weil sie die<br />
Komplexität für Bürger reduzieren, die komplexe<br />
Technologien nicht verstehen können“,<br />
glaubt Rotraud Gitter von der Kasseler<br />
„Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung“<br />
(provet). Sie untersucht in<br />
dem vom Bundeswirtschaftsministerium bei<br />
T-Systems geförderten Projekt „voteremote“<br />
die rechtlichen Rahmenbedingungen zur<br />
Durchführung von Online-Wahlen und den<br />
entsprechenden Anpassungsbedarf etwa<br />
des Betriebsverfassungsgesetzes oder des<br />
Sozialgesetzbuchs. Der spanische Verfassungsrechtler<br />
Jordi Barrat indes hält es für<br />
einen großen Fehler „zu glauben, dass die<br />
E-Voting-Zertifizierung dasselbe ist wie die<br />
Zertifizierung irgendeines anderen Produktes“.<br />
Denn während bei normalen Produkten<br />
die Funktionserfüllung von außen evident<br />
sei, läge die Besonderheit des E-Voting in der<br />
fehlenden Verifikationsmöglichkeit, ob das<br />
System wirklich bestimmungsgemäß arbeitet,<br />
argumentierte er. „Dem muss der rechtliche<br />
Rahmen für die Zertifizierung des E-Voting<br />
Rechnung tragen und darf sich nicht auf<br />
©<br />
48 c’t 2008, Heft 20<br />
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