Bequemer als Backup Bequemer als Backup - Wuala
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aktuell | E-Science<br />
Richard Sietmann<br />
Gezeitenwechsel<br />
Brüssel macht sich stark für den freien Zugang<br />
zu Forschungsveröffentlichungen<br />
Freier Zugang statt gebührenpflichtiger Webportale<br />
einzelner Wissenschaftsverlage: Auch die EU-Kommission<br />
setzt sich jetzt für „Open Access“ ein. Von einem Pilotprojekt<br />
erhofft sie sich einen „Schub für die Sichtbarkeit<br />
der europäischen Forschung“.<br />
Wenn ich weiter gesehen<br />
habe <strong>als</strong> andere, so deshalb,<br />
weil ich auf den Schultern<br />
von Giganten stand“ – der berühmte<br />
Ausspruch Isaac Newtons<br />
ziert ein Faltblatt, mit dem<br />
die EU-Kommission die von ihr<br />
geförderten Forscher über einen<br />
Wechsel der Veröffentlichungspolitik<br />
informiert. Um sicherzustellen,<br />
dass die Ergebnisse der<br />
im siebten Forschungsrahmenprogramm<br />
(RP7) bis 2013 finanzierten<br />
Forschung möglichst<br />
weite Verbreitung finden und effektiv<br />
in Wissenschaft und Wirtschaft<br />
genutzt werden, sollen die<br />
aus den Förderprojekten hervorgehenden<br />
Veröffentlichungen<br />
künftig „Open Access“ (OA) sein.<br />
Zu diesem Zweck startete Brüssel<br />
Anfang September ein Pilotprojekt<br />
unter ec.europa.eu/research/<br />
science-society/open_access, das<br />
jedermann einen einfachen und<br />
entgeltfreien Online-Zugang insbesondere<br />
zu den Forschungsartikeln<br />
ermöglichen wird, die<br />
nach der Begutachtung durch<br />
Fachkollegen im Wege des „Peer<br />
Review“ in wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften erscheinen.<br />
Die Initiative erstreckt sich auf<br />
die Fördervorhaben in den Bereichen<br />
Gesundheit, Energie, Umwelt,<br />
Geistes- und Sozialwissenschaften,<br />
Forschungsinfrastrukturen<br />
sowie in Teilbereichen der<br />
Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
(„Cognitive Systems,<br />
Interaction, Robotics“).<br />
Tangiert sind davon etwa 20 Prozent<br />
des RP7-Budgets von insgesamt<br />
50 Milliarden Euro, schätzt<br />
EU-Forschungskommissar Janez<br />
Potocnik. „Dieses Open-Access-<br />
Pilotprojekt ist ein wichtiger<br />
Schritt zur Verwirklichung der<br />
„fünften Freiheit“, das heißt, dem<br />
freien Verkehr von Wissen in den<br />
Mitgliedsstaaten“, erklärte er bei<br />
der Vorstellung der Initiative und<br />
betonte, dass die Bürger auf<br />
diese Weise „einen angemessenen<br />
Gegenwert für die Finanzierung<br />
der Forschung durch EU-<br />
Gelder“ erhielten.<br />
Die neuen Förderverträge<br />
enthalten jetzt eine Klausel, welche<br />
die Zuwendungsempfänger<br />
verpflichtet, Projektveröffentlichungen<br />
auf institutionellen<br />
oder fachspezifischen Webservern<br />
(Repositorien) zu hinterlegen<br />
und „alle Anstrengungen<br />
zu unternehmen“, den offenen<br />
Zugang zu den Veröffentlichungen<br />
zu gewährleisten. Dies soll<br />
in den technischen und medizinischen<br />
Bereichen spätestens<br />
nach sechs Monaten und in den<br />
Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
spätestens nach zwölf Monaten<br />
erfolgt sein. Mit der Sperrfrist<br />
will man vermeiden, dass den<br />
Wissenschaftsverlagen abrupt<br />
die Geschäftsgrundlage entzogen<br />
wird, so dass sie neue Erlösmodelle<br />
entwickeln können.<br />
Den Forschern wird freigestellt,<br />
ob sie das nach dem Peer<br />
Review zur Veröffentlichung angenommene<br />
Manuskript oder<br />
ein Layout-getreues PDF des<br />
späteren Zeitschriftenartikels hinterlegen.<br />
Ihnen bleibt es auch<br />
unbenommen, weiterhin in den<br />
für Leser oder Bibliotheken gebührenpflichtigen<br />
Online-Journalen<br />
zu publizieren, nur sollen<br />
sie dann „sicherstellen, dass die<br />
Urheberrechts- und Lizenzbedingungen<br />
der betreffenden<br />
Zeitschrift im Einklang mit dem<br />
RP7-Pilotprojekt zu Open Access<br />
stehen“. Gegebenenfalls dürften<br />
sie der Zeitschrift kein exklusives<br />
Nutzungsrecht an der Veröffentlichung<br />
einräumen, sondern<br />
müssten sich das Recht zur<br />
Zweitverwertung im Web vorbehalten.<br />
Den neuen Vertragsregeln, die<br />
inhaltlich auf einer Linie mit den<br />
Open-Access-Richtlinien des Europäischen<br />
Forschungsrates vom<br />
Dezember 2007 für den Bereich<br />
der Grundlagenforschung sowie<br />
den Förderbedingungen der National<br />
Institutes of Health in den<br />
USA für die medizinische Forschung<br />
liegen, war seit 2006 eine<br />
umfassende Konsultation der<br />
Interessengruppen über Open-<br />
Access-Konzepte vorausgegangen.<br />
Unter Berufung auf das Urheberrecht<br />
hatten dabei vor<br />
allem die Vertreter technisch-naturwissenschaftlicher<br />
und medizinischer<br />
Verlage in der STM-Association<br />
gegen den Politikwechsel<br />
Front gemacht. Nach Ansicht<br />
der Verlegervereinigung bedürfe<br />
der Markt für wissenschaftliche<br />
Veröffentlichungen keiner staatlichen<br />
Intervention.<br />
„Autoren sollten in einem gesunden,<br />
unverzerrten freien Markt<br />
wählen können, wo sie publizieren“,<br />
wehrten sie sich in der<br />
„Brüsseler Erklärung“ vom Februar<br />
2007 noch gegen den Wandel.<br />
Beim Start des Pilotprojektes begrüßte<br />
Viviane Reding, EU-Kommissarin<br />
für Informationsgesellschaft<br />
und Medien, daher umso<br />
mehr, „dass wissenschaftliche<br />
Verleger jetzt allmählich neue<br />
Verbreitungsmodelle akzeptieren<br />
und gemeinsam mit den Forschern<br />
auf die Verwirklichung des<br />
Open Access hinarbeiten“. Sie ist<br />
überzeugt, dass der freie Zugang<br />
zu den Ergebnissen der öffentlich<br />
finanzierten Forschung genügend<br />
Raum „für privat finanzierte<br />
Geschäftsmodelle im Bereich des<br />
Verlagswesens lässt“. (jk)<br />
c’t 2008, Heft 20<br />
©<br />
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