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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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2.2 Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

Die konventionellen korrespondenz- oder abbildtheoretischen Erkenntnislehren gehen <strong>im</strong><br />

Wesentlichen von Prämissen wie den folgenden aus:<br />

- Die Welt, die die Wissenschaft zu erkennen versucht, ist eine vom Menschen (<strong>und</strong><br />

seinem Denken <strong>und</strong> Handeln) prinzipiell unabhängige objektive Wirklichkeit, welcher<br />

der Mensch als Subjekt gegenübersteht (Positivismus);<br />

- Es gibt eine Subjekt-Objekt-Übereinst<strong>im</strong>mung, insofern unsere Erkenntnis oder unser<br />

Wissen ein Abbild der objektiven Realität darstellt (Realismus);<br />

- Zugang zu der objektiven Wirklichkeit hat der Mensch durch seine Sinne; empirische<br />

Erfahrung liefert eine richtige Erkenntnis der Wirklichkeit (Empirismus);<br />

- Die menschliche Sprache bildet die objektive Wirklichkeit deskriptiv ab<br />

(Wittgenstein) 17 .<br />

Aber nicht nur korrespondenztheoretisch orientierte Erkenntnistheorien, sondern auch der<br />

sogenannte ges<strong>und</strong>e Menschenverstand geht davon aus, dass der Mensch – durch seine<br />

Sinnesorgane oder durch seine Vernunft – einen direkten Zugang zur Wirklichkeit hat. Auch<br />

wenn oft einschränkend zugegeben wird, dass unsere Sinnesorgane die Wirklichkeit nur so gut<br />

abbilden, wie es ihnen physiologisch <strong>und</strong> physikalisch möglich ist <strong>und</strong> wie sie es <strong>im</strong> Laufe der<br />

Entwicklung gelernt haben, wird Schmidt zufolge die gr<strong>und</strong>sätzliche Gültigkeit der oben<br />

genannten Prämissen zu selten angezweifelt. 18<br />

Die vorliegende Arbeit kann nicht den Rahmen bilden, um auf die oben genannten Prämissen<br />

<strong>und</strong> die dahinter stehenden Lehren detailliert einzugehen. Wichtig ist in unserem<br />

Zusammenhang nur, dass der <strong>Konstruktivismus</strong> 19 alle diese – nicht unproblematischen –<br />

abbildtheoretischen Prämissen über Bord wirft <strong>und</strong> ihnen ein „holistisch“ <strong>und</strong> „monistisch“<br />

17 Vgl. SCHMIDT 1987a, 42; AMMERMANN 1990, 43.<br />

18 Vgl. SCHMIDT 1987a, 14.<br />

19 Die Begriffe „<strong>Konstruktivismus</strong>“ <strong>und</strong> „Radikaler <strong>Konstruktivismus</strong>“ werden zunehmend synonym gebraucht.<br />

Vgl. WALLICH 1999, 42. Wenn in dieser Arbeit – der Einfachheit halber – vom „<strong>Konstruktivismus</strong>“ gesprochen<br />

wird, ist damit, sofern nicht anders angegeben, der philosophische „radikale <strong>Konstruktivismus</strong>“ gemeint, wie er<br />

von seinen wichtigsten Vertretern, Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster, Humberto Maturana, Francisco<br />

Varela <strong>und</strong> Paul Watzlawick dargestellt wird (mit seinen Varianten, dem operativen <strong>Konstruktivismus</strong> von Niklas<br />

Luhmann oder dem soziokulturellen <strong>Konstruktivismus</strong> von Siegfried Schmidt) – in Abhebung etwa zum<br />

„methodischen <strong>Konstruktivismus</strong>“ („Erlanger <strong>Konstruktivismus</strong>“), zum „pädagogischen <strong>Konstruktivismus</strong>“, zum<br />

„mathematischen <strong>Konstruktivismus</strong>“ oder zum <strong>Konstruktivismus</strong> in der Kunst. Schmidt empfindet den Begriff<br />

„<strong>Konstruktivismus</strong>“ an sich übrigens unglücklich <strong>und</strong> möchte lieber von „Theorie der Beobachtung zweiter<br />

Ordnung“ sprechen. Vgl. WALLICH 1999, 51.<br />

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