Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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spirituell-religiösen Vollzugs) gr<strong>und</strong>sätzlich unterscheidet, <strong>und</strong> deren Gegenstand nicht eine<br />
best<strong>im</strong>mte „Wirklichkeit“ ist, sondern der „Geist“, der in der Geschichte <strong>und</strong> <strong>im</strong> konkreten<br />
Lebensvollzug einzelner Gruppen zugänglich ist, nicht aber in best<strong>im</strong>mten Offenbarungen <strong>und</strong><br />
religiösen Schriften.<br />
Sollte der gemeinsame Werteunterricht eingeführt werden, stellt sich notgedrungen die Frage,<br />
wer dieses Fach unterrichten wird. Die Interessenten werden hauptsächlich aus Philosophen<br />
<strong>und</strong> Theologen – d.h. den Vertretern der bisherigen beiden Fächern, die durch das neue Fach<br />
ersetzt würden – bestehen. Versteht man <strong>Theologie</strong> <strong>im</strong> Anschluss an Dalferth <strong>und</strong> Klein als<br />
Metatheorie, als „Beobachtung zweiter Ordnung“ <strong>und</strong> als pragmatisch-operative<br />
Orientierungswissenschaft,<br />
- die sich der Subjektabhängigkeit, der Relativität <strong>und</strong> der Konstruktionalität ihrer<br />
Aussagen bewusst ist;<br />
- die an der Viabilität, sprich der Lebensdienlichkeit ihrer Entwürfe interessiert ist;<br />
- die auf einen <strong>Wahrheit</strong>s- <strong>und</strong> Absolutheitsanspruch verzichtet;<br />
- die sich nicht als „christliche Binnenreflexion“ versteht, sondern als ein<br />
selbstreferentielles Operieren, das sich von der Ebene des religiösen Vollzugs<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich unterscheidet;<br />
so besteht unseres Erachtens keine Ursache für Bedenken bezüglich einer Beauftragung der<br />
Theologen zu den Vertretern dieses Fachs oder bezüglich der Gefahr der Manipulation oder<br />
Indoktrination der Schüler durch die Vertreter der Disziplin „<strong>Theologie</strong>“.<br />
6.3 Für den konfessionellen Unterricht<br />
Siegfried Schmidt, einer der führenden zeitgenössischen Vertreter des philosophischen<br />
<strong>Konstruktivismus</strong>, vertritt <strong>im</strong> Anschluss an von Glasersfeld, Maturana u.a. nach wie vor die<br />
Meinung, dass der Mensch in allen Bereichen, also auch <strong>im</strong> spirituell-religiösen, Konstrukteur<br />
seiner Wirklichkeit ist. Er betont allerdings in letzter Zeit, so wie er mir in einem persönlichen<br />
Austausch per E-Mail mitteilte, dass der Mensch bei all seinen Konstruktionen etliche<br />
Voraussetzungen beansprucht, die sich aus seiner Erziehung <strong>und</strong> seinem soziokulturellen<br />
Umfeld ergeben. Zu diesen Voraussetzungen gehören auch Orientierungsangebote, die ihm von<br />
Eltern, Erziehern, Lehrern oder anderen Vorbildern geboten werden, <strong>und</strong> die er in seinem<br />
konstruktionalen Prozess mit verarbeitet. Übertragen auf den Ethik- <strong>und</strong> Religionsunterricht<br />
würde dies bedeuten, dass dem Schüler in seinem Konstruktionsprozess f<strong>und</strong>ierte Positionen<br />
seiner Referenzpersonen (in erster Linie seiner Lehrer) von Nutzen sind. Aus lerntheoretischer<br />
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