Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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- In diesem Sinne müsste ein Kl<strong>im</strong>a des bescheidenen Dialogs intrakonfessioneller,<br />
interkonfessioneller <strong>und</strong> interreligiöser Art geschaffen werden.<br />
- Die Kirche sollte nicht als etwas Vorgegebenes, sondern als etwas zu Konstruierendes<br />
betrachtet werden: „Das Christentum legt keine festgefügten Konstruktionen vor,<br />
sondern schlägt vielmehr Hoffnungsschneisen zu einem noch zu entwerfenden<br />
Menschsein <strong>und</strong> gibt Hinweise für ein zu erprobendes Vertrauen.“ 324<br />
Auch J. Hromadka mahnt die <strong>Theologie</strong> zur Bescheidenheit, wenn er betont: „<strong>Theologie</strong> ist<br />
keine Schöpferin fertiger <strong>Wahrheit</strong>en <strong>und</strong> unveränderlicher Sätze, sondern eher ein ständiger<br />
Hinweis auf die Grenzen allen menschlichen <strong>und</strong> weltlichen Geschehens.“ 325 „Alle Versuche<br />
menschlicher Worte, diese <strong>Wahrheit</strong> auszudrücken, sind unzureichend, unangemessen, nicht<br />
zutreffend. [...] Theologische Sätze haben einen Charakter von dynamischer<br />
Voreingenommenheit, von Aufforderung, persönlichem Zeugnis <strong>und</strong> Bekenntnis.“ 326 Diese<br />
Einstellung ist sicher <strong>im</strong> Sinne der Behauptung von Michel de Montaigne, die von den<br />
Konstruktivisten gerne zitiert wird: „La peste de l’homme, c’est l’opinion de savoir“. 327 Am<br />
Rande sei <strong>im</strong> Anschluss an Wallich angemerkt, dass man auch das Hohelied der Liebe aus dem<br />
Ersten Korintherbrief konstruktivistisch lesen kann, in dem es heißt: „Denn Stückwerk ist<br />
unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden. [...] Jetzt schauen wir in einen Spiegel<br />
<strong>und</strong> sehen nur rätselhafte Umrisse.“ (1 Kor 13,9-12a)<br />
Wie wird die Zukunft in Sachen konstruktivistisch-theologischer Diskurs aussehen? Erdmann<br />
ist zuversichtlich <strong>und</strong> vergleicht die konstruktivistische Einsicht (dass die objektive Erkenntnis<br />
von Realität nicht möglich ist) mit der kopernikanischen Wende. Hier hat es auch Generationen<br />
gedauert, bis die Menschen ihr geozentrisches Weltbild durch das heliozentrische ersetzt<br />
haben. Trotzdem aber hat kein Weg daran vorbei geführt. Auch in diesem Fall wird es sicher<br />
noch mehrere Generationen dauern, bis die Konsequenzen der konstruktivistischen<br />
Erkenntnistheorie verankert sind – insbesondere in der <strong>Theologie</strong>. Trotzdem führt ihm zufolge,<br />
ähnlich wie es bei der kopernikanischen Wende der Fall war, kein Weg daran vorbei. Die<br />
Erkenntnis, dass kein Weg am <strong>Konstruktivismus</strong> vorbeiführt, wird in den Augen Erdmanns<br />
auch zu einer neuen Bescheidenheit in den Wissenschaftern, insbesondere auch in der<br />
<strong>Theologie</strong>, führen: „Es ist so auch zu hoffen, dass der <strong>Konstruktivismus</strong> ein Wegbereiter wird<br />
für eine dringend gebotene neue Bescheidenheit auf allen Wissensgebieten, insbesondere aber<br />
324 WALLICH 1999, 449.<br />
325 HROMADKA 1999, 258.<br />
326 HROMADKA 1999, 259.<br />
327 Zit. bei VON GLASERSFELD 2005, 9.<br />
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