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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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der Existenz Gottes befasst. Kant hat hervorgehoben, dass es nicht möglich ist, die<br />

Nichtexistenz Gottes zu beweisen. 211 Es besteht auch unter Wissenschaftlern allgemein ein<br />

Konsens darüber, dass die Existenz Gottes wissenschaftlich oder rational weder bewiesen noch<br />

widerlegt werden kann, da die Wissenschaft nicht in der Lage ist, das „Ding an sich", also auch<br />

nicht das Sein-Selbst (d.h. Gott) zu erfassen. 212 Weil unsere Vernunft an die Kategorien Raum<br />

<strong>und</strong> Zeit geb<strong>und</strong>en ist, ist sie nicht fähig, etwas zu beweisen oder zu widerlegen, was außerhalb<br />

dieser Kategorien liegt. In diesem Zusammenhang wird Ludwig Wittgensteins Aussage, dass<br />

man über das, worüber man nicht reden kann, schweigen soll, oft falsch wiedergegeben: Weil<br />

man über Gott nicht reden kann, soll man über ihn schweigen. Davon abgesehen, dass<br />

Wittgenstein dies so nicht behauptet hat, muss diese Aussage uns auch, wenn wir sie<br />

konstruktivistisch überprüfen, als unannehmbar erscheinen. 213 Darf man in konstruktivistischer<br />

Gesinnung nicht doch fragen, ob Religion nicht doch ein legit<strong>im</strong>er Versuch ist, das<br />

Ungreifbare, Unfassbare, Unsagbare in Bildern auszudrücken?<br />

Der <strong>Konstruktivismus</strong> geht davon aus, dass die Erkenntnis der Welt an sich nicht möglich ist.<br />

Wenn wir ihn ernst nehmen, muss er auch auf den Bereich des Religiösen zutreffen. Für die<br />

<strong>Theologie</strong> bedeutet dies, dass man akzeptiert, dass die Erkenntnis einer objektiven Wirklichkeit<br />

„Gott“ bzw. eines Sein-Selbst nicht möglich ist <strong>und</strong> dass Religion <strong>und</strong> <strong>Theologie</strong> eine<br />

Konstruktion des menschlichen Geistes bzw. Gehirns ist. 214 Unsere religiösen <strong>Wahrheit</strong>en sind<br />

unsere Konstrukte, <strong>und</strong> auch unsere Gottesvorstellung ist letztendlich unsere Konstruktion. Das<br />

wirft natürlich einige Fragen auf:<br />

• Heißt das, dass jedwede Gottesvorstellung – so abstrus sie auch sei – gleichermaßen<br />

„richtig“ ist <strong>und</strong> dass alle Gottesvorstellungen gleichwertig sind? Gerade hier hilft<br />

Erdmann zufolge das zentrale konstruktivistische Kriterium der Viabilität wesentlich<br />

weiter. „Wenn wir nämlich das Kriterium der Viabilität auch auf religiöse Erkenntnisse<br />

anwenden, bedeutet dies, dass sich auch religiöse Erkenntnisse am Leben bewähren<br />

müssen. Das heißt aber auf der anderen Seite, dass der Anspruch auf absolute<br />

<strong>Wahrheit</strong>en auch in der Religion keine Gr<strong>und</strong>lage hat.“ 215 Erdmann stellt an die<br />

<strong>Theologie</strong> die Anforderung, sich vermehrt der Tatsache bewusst zu werden, dass die<br />

teilweise sogar pathetisch, aber sie scheint uns doch interessant, weil er darin auf eine unbefangene <strong>und</strong> direkte<br />

Art die Frage nach der Konstruktionalität des Gottes- <strong>und</strong> des Offenbarungsbegriffs anspricht.<br />

211 Vgl. ERDMANN 1999, 86.<br />

212 Vgl. ETZOLD 1992, 440.<br />

213 Vgl. ERDMANN 1999, 86.<br />

214 Vgl. ERDMANN 1999, 86; auch BAUMANN 1993, 14.<br />

215 ERDMANN 1999, 87.<br />

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