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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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Fassen wir noch einmal zusammen: Die unmittelbarste Schlussfolgerung der<br />

konstruktivistischen Position ist ein allgemeines Toleranzgebot, das Hejl als Forderung<br />

folgendermaßen ausdrückt: Vergiss nicht, dass andere Akteure für ihre Handlungen Gründe<br />

angeben können, die <strong>im</strong> Prinzip den Begründungen deiner Handlungen gleichrangig sind. 122<br />

Diese Einstellung berücksichtigt die Tatsache, dass jeder Mensch Wirklichkeitskonstrukteur ist<br />

sowie die Legit<strong>im</strong>ität der Existenz einer Vielzahl von gleichberechtigten <strong>und</strong> gleichrangigen<br />

Wirklichkeitskonstruktionen, von denen keine einer anderen überlegen sein darf.<br />

3.3 Verantwortungsakzeptanz<br />

Die konstruktivistische Epistemologie <strong>im</strong>pliziert darüber hinaus Verantwortungsakzeptanz.<br />

Dem <strong>Konstruktivismus</strong> zufolge sind, wie wir versucht haben aufzuzeigen, <strong>Wahrheit</strong> <strong>und</strong><br />

Wirklichkeit an sich nicht erkennbar <strong>und</strong> nicht besitzbar. Insofern scheiden sie als absolute <strong>und</strong><br />

letztverbindliche Berufungsinstanzen aus. Das bedeutet, dass der Mensch für sein Denken <strong>und</strong><br />

Handeln die Verantwortung übernehmen muss. 123 P. M. Hejl betont: „Wir erzeugen unsere<br />

Realitäten selber <strong>und</strong> sind damit letztlich selber für das dadurch bedingte Glück <strong>und</strong> Leiden<br />

verantwortlich.“ 124 Die entsprechende ethische Forderung könnte also lauten: Handle so, dass<br />

du für die Folgen deines Handelns die Verantwortung übernehmen kannst. 125<br />

Liegt nicht in diesem Punkt die Hauptursache, weshalb der <strong>Konstruktivismus</strong> noch nicht<br />

überall verbreitet ist? Besteht nicht ein beliebtes Gesellschaftsspiel darin, sich der<br />

Verantwortung zu entziehen? 126 Die genialste Strategie, dies zu tun, ist das Operieren mit dem<br />

Begriff der „Objektivität“. 127 Objektivität trennt Beobachtung vom Beobachter, in der<br />

Überzeugung, dass die Eigenschaften des Beobachters nicht in der Beschreibung seiner<br />

Beobachtungen zu finden sein dürfen. So wird unsere Beziehung zur Welt dominiert von<br />

Furcht <strong>und</strong> Feindschaft, Herrschen <strong>und</strong> Regulieren. Im Gegensatz dazu propagiert die<br />

konstruktivistische Epistemologie eine Epistemologie des Beobachtens, die sich durch eine<br />

Verknüpfung zwischen Beobachter <strong>und</strong> Beobachtung auszeichnet. So rückt an die Stelle vom<br />

„Du sollst...“ das „Ich soll...“. 128 Eine solche Lehre ist v. Glasersfeld zufolge ungemütlich in<br />

122 Vgl. HEJL 1995, 56.<br />

123 Vgl. SCHMIDT 1987a, 38; WALLICH 1999, 243.<br />

124 HEJL 2005, 144.<br />

125 Vgl. HEJL 1995, 57.<br />

126 Vgl. VON FOERSTER 2005, 44.<br />

127 Im Bereich des Kirchlichen wären das etwas die „Offenbarung“, die „Tradition“, die Bibel oder das Lehramt.<br />

128 Vgl. VON FOERSTER 2005, 44.<br />

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