Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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der ontologischen Ebene nicht nachsteht.“ 280<br />
notgedrungen konstruieren muss, um zu (über)leben.<br />
Lampe betont, dass der Mensch<br />
„Jedoch hat keiner der Konstrukteure die Handhabe, auf einen anderen Konstrukteur<br />
überlegen herabzublicken, weil sein eigenes Wissen angeblich ontologisch höherwertig sei.<br />
Ontologisch gesehen sitzen alle Konstrukteure, seien sie Theologen, Naturwissenschaftlerinnen<br />
oder Psychoanalytiker <strong>im</strong> selben Boot. Keiner hat dem anderen auf der<br />
ontologischen Ebene mit seinem Wissen etwas voraus.“ 281<br />
Lampe weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch naturwissenschaftliche<br />
Erkenntnis sich nur auf eine konstruierte Realität bezieht, von der nur naive Realisten<br />
glauben, dass sie die Realität, wie sie an sich ist, darstellt. Die von der<br />
Naturwissenschaft beschriebene Welt ist nicht identisch mit der objektiven Realität,<br />
weil alle naturwissenschaftlichen Begriffe vom menschlichen Geist geschaffen sind <strong>und</strong><br />
auf Jahrh<strong>und</strong>erte lang mühsam herausgebildeten Konventionen beruhen. So ist Lampe<br />
davon überzeugt, dass kaum ein Atomphysiker glaubt, dass die Atome tatsächlich so<br />
aussehen, wie das aktuellste Atommodell es vorschlägt. 282 Die Physik bedient sich der<br />
Mathematik, die ihrerseits auch wiederum nicht voraussetzungslos ist, sondern auf<br />
Axiomen beruht.<br />
Die Annahme, dass der Wirklichkeitsentwurf der <strong>Theologie</strong> denjenigen der anderen<br />
Wissenschaften ontologisch in nichts nachsteht, also alle Wissenschaften<br />
gleichermaßen <strong>im</strong> selben Boot sitzen, schafft Lampe zufolge einen gemeinsamen<br />
Gesprächsrahmen, eine „faire Konkurrenz“ <strong>und</strong> verbessert vor allem die<br />
Diskussionsgr<strong>und</strong>lage der <strong>Theologie</strong> in nicht unerheblichem Maße. 283 Sie ermöglicht<br />
es, dass <strong>Theologie</strong> „auch in der säkularisierten Gesellschaft kommunikabel bleibt.“ 284<br />
- P. Tillich hat die <strong>Theologie</strong> als „konkret-normative Religionswissenschaft“ (des<br />
Christentums) gesehen. 285 Diese Vorstellung können wir an dieser Stelle aufgreifen <strong>und</strong><br />
vertiefen. Jede Beobachtung ist normierend <strong>und</strong> konstituiert ihren Gegenstand oder<br />
280 LAMPE 1998, 30.<br />
281 LAMPE 1998, 30.<br />
282 Vgl. LAMPE 1998, 30-31.<br />
283 Vgl. LAMPE 1998, 31.<br />
284 LAMPE 1998, 32. Die postulierte Parität bedeutet nicht „Gleichgültigkeit“ <strong>im</strong> Sinne von „postmoderner<br />
Beliebigkeit“ („es ist egal, was du denkst; wahr kann sowieso alles <strong>und</strong> nichts sein“), sondern „Gleich-Gültigkeit“<br />
in dem Sinn, dass keine Disziplin der anderen überlegen ist, so dass ein fairer Wettbewerb stattfinden kann. Vgl.<br />
LAMPE 2006, 98.<br />
285 Vgl. TILLICH 1967, 14; 19; 30.<br />
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