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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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Evidenz durch soziale Bestätigung dadurch, dass <strong>im</strong>mer mehr Menschen sich seiner Bewegung<br />

anschließen; Evidenz durch kognitive Konstruktion dadurch, „dass der Nazarener in seinen<br />

Gleichnissen in überraschender <strong>und</strong> die Hörer offensichtlich packender Weise<br />

Bedeutungsinhalte aus der Tradition <strong>und</strong> aus der Erfahrungswelt der palästinensischen Zuhörer<br />

kombinierte <strong>und</strong> darüber hinaus eben dadurch diese Hörer auf den Weg des eigenen kognitiven<br />

Konstruierens stellte, auf dem sie selber Bedeutungsinhalte miteinander kombinierten [...].“ 299<br />

Als Beispiel führt Lampe das Reden vom Sauerteig <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />

Gottesherrschaft an, wo Jesus zwei Sachverhalte, die in den Augen seiner Zuhörer bisher nichts<br />

miteinander zu tun hatten (Sauerteig galt als alltäglich, als unrein!), also das Große <strong>und</strong> das<br />

ganz Profane <strong>und</strong> Banale, die alltägliche Lebenswelt der Galiläer, kongruent miteinander<br />

verknüpft, so dass der Zuhörer dazu angeregt wird, die Konsequenzen dieser Sichtweise selber<br />

zu realisieren. Es wird also <strong>im</strong> Hörer ein Reflexionsprozess, genauer gesagt eine Reihe<br />

kognitiver Konstruktionen angestoßen, z.B. die Erkenntnis, dass die Basileia-Botschaft auch<br />

den kleinen galiläischen Hörer etwas angeht, oder die Frage, ob man sich auf diese<br />

ermutigenden Worte Jesu wirklich verlassen kann, ob hier vielleicht jemand in göttlichem<br />

Auftrag spricht usw. 300 Entscheidend ist also, dass Jesus durch seine Art der Verkündigung,<br />

d.h. die Rede in Gleichnissen, dem Hörer lediglich Anstöße gab für kognitive Verknüpfungen<br />

<strong>und</strong> Konstruktionen, die der Hörer selber vornehmen musste. Genau dadurch – <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus auch durch die Kongruenz zwischen Jesu Predigt <strong>und</strong> seinem Handeln – haben die<br />

Gleichnisse Lampe zufolge Plausibilität erlangt. 301<br />

Indem die frühen Christen von sich behauptet haben, dass sie, wenn sie getauft werden, <strong>und</strong><br />

dadurch „in Christus“ sind, eine „neue Schöpfung“ sind (vgl. 2 Kor 5,17), haben sie Lampe<br />

zufolge eine best<strong>im</strong>mte Wirklichkeit von sich selber konstruiert: das Modell eines radikalen<br />

Persönlichkeitsumbaus. Lampe wendet auch hier sein Modell der vier Evidenzquellen an, um<br />

die Frage zu beantworten: „Was machte dieses Modell den urchristlichen Konstrukteuren<br />

plausibel, so dass es in den frühen christlichen Gemeinden als soziale Wirklichkeit Gültigkeit<br />

finden konnte?“ 302 Was die erste Evidenzquelle, die der sinnlichen Wahrnehmung, betrifft, so<br />

führt Lampe den damaligen Eintauch-Ritus der Erwachsenentaufe an, bei dem die Täuflinge<br />

physisch erfahren konnten, was es heißt, zu „sterben“ <strong>und</strong> „neugeboren“ zu werden. Die zweite<br />

Evidenzquelle, die kognitive Konstruktion, sieht in diesem Fall so aus, dass die Gemeinde eine<br />

Ähnlichkeit (Kongruenz) festgestellt hat zwischen dem Ritus des Eingetauchtwerdens <strong>und</strong> dem<br />

299 LAMPE 1999, 230.<br />

300 Vgl. LAMPE 1999, 234-235.<br />

301 Vgl. LAMPE 1999, 236.<br />

302 LAMPE 1997, 27.<br />

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