Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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Gegenstandsbereich über ihre Unterscheidungen. Insofern liegen jeder Beschreibung<br />
normative <strong>und</strong> selektive Elemente zugr<strong>und</strong>e, ohne die keine Beobachtung zustande<br />
käme. 286 Klein betont, dass es keine wertneutrale Beschreibung gibt: „Dasjenige [...],<br />
was in der Beschreibung <strong>und</strong> Darstellung etwa als Christentum, als religiöse oder<br />
christliche Lebensform wahrgenommen/ beobachtet wird, verdankt sich diesen<br />
vorausgehenden Normierungsfaktoren.“ 287 Die Dogmatik hat Klein zufolge hier die<br />
zentrale Aufgabe, die normativ konstruierten Systematisierungen anderen<br />
Interpretationspraxen als plausible Orientierungsleistungen zur Verfügung zu stellen,<br />
also eine vermittelnde, „kombinatorische“ Rolle, die also darin besteht, die normative<br />
theologische Sichtweise auch für die Beobachtungsebene der ersten Ordnung zur<br />
Verfügung zu stellen. 288 Klein vertritt folgende Meinung: „Das theologische<br />
Systematisierungs-, Problematisierungs- <strong>und</strong> Problemlösungspotential kann für diese<br />
Beobachterebene <strong>und</strong> damit für die (<strong>im</strong>mer auch angefochtene) Alltagsgewissheit<br />
fruchtbar gemacht werden als Handhabungsregulierung von Kontingenz.“ 289 Fassen wir<br />
zusammen: <strong>Theologie</strong> als „konkret-normative Religionswissenschaft des Christentums“<br />
wäre eine kombinatorische <strong>Theologie</strong> <strong>im</strong> Sinne Dalferths in modifizierter Fassung:<br />
Eine Wissenschaft, die sich nicht mehr an ontologischen <strong>und</strong> wahrheitstheoretischen<br />
Fragen orientiert, sondern „an Vermittlungsmöglichkeiten von<br />
Interpretationskonstrukten unter normativen Problemaspekten.“ 290 Dabei betont Klein,<br />
dass die <strong>Theologie</strong> selbst nur eine Interpretationspraxis darstellt <strong>und</strong> deshalb nicht das<br />
letzte Wort haben kann; sie kann dennoch argumentative Problemlösungsstrategien<br />
erarbeiten <strong>und</strong> anbieten kann, die überhaupt erst die zur Diskussion stehenden<br />
Fragestellungen <strong>und</strong> Probleme systematisierend <strong>und</strong> konstruktiv entwickeln <strong>und</strong> klären<br />
können. 291<br />
- Schließlich ließe sich durch die Aufnahme des <strong>Konstruktivismus</strong> in die <strong>Theologie</strong> auch<br />
mancher Theologenstreit vermeiden, da der Theologe sich seiner Rolle als<br />
interessegeleiteter Beobachter <strong>und</strong> insofern der Grenzen seines Beobachtens verstärkt<br />
bewusst wäre. Der Neutestamentler Peter Lampe hat den konstruktivistischen Ansatz<br />
auf die Exegese angewandt. So greift er zum Beispiel den Streit heraus, ob die<br />
christlichen Ostererfahrungen rezeptive oder produktive Visionen waren, d.h. ob der<br />
286 Vgl. KLEIN 2003, 493.<br />
287 KLEIN 2003, 493-494.<br />
288 Vgl. KLEIN 2003, 496.<br />
289 KLEIN 2003, 496.<br />
290 KLEIN 2003, 496.<br />
291 Vgl. KLEIN 2003, 497.<br />
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