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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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6. KONSTRUKTIVISMUS UND DIE FRAGE DES GEMEINSAMEN<br />

WERTE- UND WELTANSCHAUUNGSUNTERRICHTS<br />

6.1 Hinführung<br />

In Luxemburg wird seit Jahrzehnten von diversen Parteien <strong>und</strong> anderen Bewegungen die<br />

Abschaffung der seit 1968 bestehenden Parallelstruktur des kirchlichen Religionsunterrichts<br />

einerseits <strong>und</strong> des laizistischen Ethikunterrichts andererseits, sprich die Abschaffung des<br />

konfessionellen Unterrichts <strong>und</strong> die Verschmelzung der Fächer „Instruction religieuse et<br />

morale“ <strong>und</strong> „Formation morale et sociale“ zu einem gemeinsamen bekenntnisfreien Ethik<strong>und</strong><br />

Religionsunterricht bzw. Werte- <strong>und</strong> Weltanschauungsunterricht („Einheitskurs“)<br />

gefordert. 351 Folgende Gesichtspunkte werden meist als Begründung angeführt: 1) Dem<br />

mittlerweile weitverbreiteten religiösen Analphabetismus ließe sich am besten durch eine<br />

Religionsk<strong>und</strong>e für alle entgegenwirken. 2) Ein gemeinsamer nichtkonfessioneller Unterricht<br />

könnte dazu beitragen, Toleranz einzuüben <strong>und</strong> das Verhältnis zwischen den einzelnen<br />

Religionen <strong>und</strong> Konfessionen zu entspannen. 3) Die konfessionelle Lage hat sich verändert:<br />

Unsere Luxemburger Gesellschaft hat sehr wohl christliche Wurzeln, ist aber nicht mehr<br />

christlich geprägt, besteht sie doch mittlerweile aus ca. 2% Musl<strong>im</strong>en. Welches Argument<br />

spricht also dafür, dass die katholische Kirche das Recht hat, in den staatlichen Schulen einen<br />

Religionskurs anzubieten, während dieses Recht z.B. den Musl<strong>im</strong>en vorenthalten wird? Dieses<br />

Argument ist in unseren Augen tatsächlich nicht so leicht von der Hand zu weisen. 352 Radikaler<br />

wird aber auch gefragt: Welches Recht haben die Religionen, in einer staatlichen Schule zu<br />

unterrichten? Unter den Luxemburger <strong>Religionslehrer</strong>n gibt es, so wissen wir aus Erfahrung, in<br />

der Frage „konfessioneller Religionsunterricht versus bekenntnisneutraler Werte- <strong>und</strong><br />

Weltanschauungsunterricht“ (noch) kein einheitliches Meinungsbild (mehr): Während die<br />

einen den konfessionellen Unterricht nicht so schnell aufgeben möchten, sehen andere in der<br />

Einführung eines „Einheitskurses“ eine auf die Dauer durchaus sinnvolle Lösung. Allerdings<br />

scheinen unseres Erachtens in der gesamten Diskussion um diese Frage in erheblichem Maße<br />

politisch-ideologische Gesichtspunkte eine Rolle zu spielen: Letztendlich steht die Frage <strong>im</strong><br />

351 Im deutschen B<strong>und</strong>esland Brandenburg gibt es seit Anfang der 1990er Jahre einen derartigen gemeinsamen<br />

„bekenntnisfreien“ Werte- <strong>und</strong> Weltanschauungsunterricht mit der Bezeichnung „Lebensgestaltungs-Ethik-<br />

Religionsunterricht“ (LER), der für alle Schüler verpflichtend ist. Man kann sich jedoch von diesem Unterricht<br />

mittels schriftlicher Anfrage entbinden lassen <strong>und</strong> stattdessen einen von den christlichen Kirchen in „Eigenregie“<br />

angebotenen Religionsunterricht besuchen.<br />

352 Auf die veränderte konfessionelle Lage könnte man freilich auch dadurch reagieren, indem man neben dem<br />

christlichen Religionsunterricht auch einen musl<strong>im</strong>ischen <strong>und</strong> einen jüdischen einführen würde. Dies scheint uns<br />

allerdings schon allein in organisatorischer Hinsicht nicht sinnvoll <strong>und</strong> nicht realisierbar.<br />

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