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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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6.4 Schlussfolgerung<br />

Aus konstruktivistischer Sicht lässt sich die Frage „konfessioneller Religionsunterricht versus<br />

bekenntnisneutraler Werte- <strong>und</strong> Weltanschauungsunterricht“ nicht eindeutig beantworten. Es<br />

gibt weder ein überzeugendes Argument für die Abschaffung des konfessionellen<br />

Religionsunterrichts noch ein einleuchtendes Argument gegen die Einführung des<br />

Einheitskurses. Darüber hinaus möchten wir aber als Ergebnis festhalten, dass, wenn der<br />

<strong>Konstruktivismus</strong> recht hat <strong>und</strong> der Schüler ein weitestgehend strukturdeterminiertes Wesen<br />

ist, die Frage, ob er sich seine Spiritualität <strong>und</strong> Religiosität bzw. seine Weltanschauung<br />

mithilfe eines bekenntnisneutralen oder mithilfe eines konfessionellen Unterrichts konstruiert,<br />

weniger entscheidend ist als oft angenommen – unter der Voraussetzung, dass der Unterricht,<br />

sei der nun „bekennend“ oder bekenntnisfrei, der Pluralität <strong>und</strong> der Konstruktionalität <strong>im</strong><br />

Bereich des Spirituellen, Religiösen, Weltanschaulichen <strong>und</strong> Ethischen Rechnung trägt. Es<br />

kommt also in erster Linie darauf an, wie der Religions- <strong>und</strong> Ethikunterricht konkret<br />

durchgeführt wird. Wie bei allen Orientierungsangeboten in Schule <strong>und</strong> Gesellschaft ist<br />

entscheidend, ob diese Angebote tatsächlich Angebote oder Indoktrinierungsversuche sind. So<br />

besteht bei einem konfessionellen Unterricht durchaus die Gefahr des F<strong>und</strong>amentalismus, bei<br />

einem bekenntnisneutralen Unterricht andererseits aber auch die Gefahr eines überbetonten<br />

Relativismus, der be<strong>im</strong> Schüler lediglich Desinteresse <strong>und</strong> Langeweile hervorruft. Weniger<br />

entscheidend ist also die Frage, ob der Lehrer „fest <strong>im</strong> Glauben steht“ oder nicht, sondern<br />

ausschlaggebend ist, dass er den Themenkomplex Weltanschauung, Religion <strong>und</strong> Ethik auf<br />

eine für den Schüler glaubwürdige Weise behandelt, so dass dieser eine für ihn lebensdienliche<br />

<strong>und</strong> viable, d.h. tragfähige Weltanschauung konstruieren kann. Zentrale Inhalte eines solchen<br />

Unterrichts, der als (schülergerechte) Beobachtung zweiter Ordnung betrachtet werden sollte,<br />

wären etwa die Reflexion über die durch verschiedene Quellen gespeiste Konstruktion unserer<br />

Weltanschauung, eine Auseinandersetzung mit der Frage, wieso wir Weltanschauung<br />

brauchen, die Untersuchung, welche Weltanschauung welche Probleme löst <strong>und</strong> welche<br />

Probleme schafft, d.h. welche Weltanschauung in welchem Maße viabel ist. Damit die ethische<br />

Selbstorientierung der Schüler in diesen Fragen tatsächlich gefördert wird, sollte der Lehrer<br />

sich in diesen Diskussionen als ein an diesen Fragen sehr Interessierter zeigen, damit er<br />

tatsächlich „Perturbationen“ auslösen kann.<br />

Zusammenfassend möchten wir mit den Worten von Foersters festhalten, dass es sich bei der<br />

Frage „konfessioneller Religionsunterricht oder bekenntnisfreier Weltanschauungsunterricht“<br />

um eine „nichttriviale“ <strong>und</strong> somit nicht-entscheidbare Frage handelt. In anderen Worten: So<br />

wie es <strong>im</strong> <strong>Konstruktivismus</strong> prinzipiell kein „richtig“ <strong>und</strong> kein „falsch“ gibt, sondern nur<br />

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