Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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Sicht heißt das: Gerade die These, dass der Schüler auch in religiösen Dingen<br />
Wirklichkeitskonstrukteur ist, ermöglicht das Einbringen klarer Positionen seitens der Lehrer.<br />
Diese Positionen sollten freilich nicht den Charakter von Indoktrinationsversuchen haben,<br />
sondern als Anstöße – Mendl spricht bekanntlich von „Perturbationen“ – verstanden werden<br />
mit dem Ziel der Förderung der der Konstruktion eigener Religiosität be<strong>im</strong> Schüler. Ohnehin<br />
kann ich als Lehrer, der konstruktivistischen Lerntheorie zufolge, nicht mehr tun als Anstöße<br />
geben: Was das Subjekt mit diesen Anstößen konstruiert, liegt außerhalb meines Einflusses.<br />
Erfahrungsgemäß stört eine konsequente „Bekenntnisverweigerung“ seitens der Lehrer die<br />
Schüler genauso wie „Bekehrungsversuche“ <strong>und</strong> bewirkt lediglich Langeweile <strong>und</strong><br />
Desinteresse.<br />
Halten wir fest: Auch eine konstruktivistische Lerntheorie bedeutet nicht notgedrungen den<br />
Verzicht auf Positionalität des Lehrers <strong>und</strong> <strong>im</strong>pliziert nicht unbedingt die Notwendigkeit der<br />
Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts. Sogar wenn dieser konfessionelle<br />
Unterricht ein indoktrinierender Unterricht wäre (dies wird den <strong>Religionslehrer</strong>n oft<br />
vorgeworfen, auch wenn es erfahrungsgemäß nicht den Tatsachen entspricht), würde der<br />
Schüler als strukturdeterminiertes Wesen keinen erheblichen Schaden erleiden, weil er sich<br />
ohnehin nicht manipulieren lässt <strong>und</strong> nur das „mitn<strong>im</strong>mt“, was ihm viabel erscheint. In<br />
gewisser Weise erleichtert eine konstruktivistische Betrachtungsweise also den konfessionellen<br />
Unterricht.<br />
Es sei angemerkt, dass man auch noch auf eine pragmatisch-konstruktivistische Art an die<br />
Frage „konfessioneller versus bekenntnisfreier Weltanschauungsunterricht“ herangehen kann:<br />
Der Mensch als Wirklichkeitskonstrukteur wählt sich diejenigen Orientierungsangebote aus,<br />
die ihm viabel erscheinen. Wenn Schüler (bzw. ihre Eltern) nach wie vor in hohem Maße (auch<br />
in Luxemburg liegen die Zahlen <strong>im</strong>mer noch weit über 50 %) 356 für eine Einschreibung in den<br />
konfessionellen Unterricht optieren, heißt das, dass sie das, was in diesem Fach angeboten<br />
wird, für lebensdienlich halten (auch wenn sie sich dem Konstrukt „katholisch“ in<br />
unterschiedlicher Intensität verb<strong>und</strong>en fühlen), so dass es zumindest aus dieser Perspektive<br />
keinen dringenden Gr<strong>und</strong> gibt, dieses Fach abzuschaffen.<br />
356 Vgl. die aktuellen Statistiken auf www.religionslehrer.lu.<br />
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