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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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gäbe, die von der göttlichen Offenbarung unterschieden ist <strong>und</strong> ihr sogar höhergestellt<br />

ist.<br />

- Seit der Aufklärung wird diese Fixierung auf die heilige Schrift als alleinige Autorität<br />

als fragwürdig angesehen, so dass eine zusätzliche Erkenntnisquelle neben die Quelle<br />

der göttlichen Offenbarung tritt: Die menschliche Vernunft <strong>und</strong> die Subjektivität. Die<br />

Frage nach der <strong>Wahrheit</strong> wird zu einer Frage nach der Übereinst<strong>im</strong>mung mit der<br />

feststellbaren Wirklichkeit (<strong>und</strong> nicht mehr mit der heiligen Schrift), d.h. zu einer Frage<br />

nach der Wirklichkeit, wie sie mit der Vernunft, mit der Geschichte, der Anthropologie<br />

oder der Naturwissenschaft aufgewiesen werden kann. Doch stellt sich nun die Frage,<br />

wie die durch menschliche Vernunft erschlossene Wirklichkeit Kriterium göttlicher<br />

<strong>Wahrheit</strong> sein kann. So befindet sich die <strong>Theologie</strong> mit ihrem <strong>Wahrheit</strong>sanspruch seit<br />

der Aufklärung in einem Dilemma zwischen Vernunft <strong>und</strong> Offenbarung. 163<br />

Zur Überwindung dieses Dilemmas schlägt Fischer <strong>im</strong> Anschluss an F. Mildenberger ein<br />

Modell vor, das von I. Dalferth <strong>und</strong> P. Stoellger aufgegriffen <strong>und</strong> von A. Klein<br />

konstruktivistisch weitergeführt wird, <strong>und</strong> auf das wir weiter unten detaillierter zurückkommen<br />

möchten: 164 Fischer stellt die Frage, ob denn die <strong>Wahrheit</strong>, der die <strong>Theologie</strong> verpflichtet ist,<br />

überhaupt in den Erkenntnisbereich der <strong>Theologie</strong> fällt. Er vertritt die These, dass die <strong>Wahrheit</strong><br />

ein Gegenstand ist, der der <strong>Theologie</strong> äußerlich ist <strong>und</strong> sich in anderen Vollzügen als dem der<br />

theologischen Reflexion, nämlich dem konkreten Glaubensvollzug, der „einfachen Gottesrede“<br />

verwirklicht, während der theologische Diskurs, d.h. die reflektierte Rede über Gott sich auf<br />

die Ebene der menschlichen Intersubjektivität beschränkt. 165 In diesem Sinn wäre<br />

„der Gegenstand theologischer Erkenntnis gar nicht die Wirklichkeit, sondern der Geist, den die<br />

christliche Kirche mit ihrer Existenz bezeugt. Diesen Geist aber hat die <strong>Theologie</strong> weder aus<br />

göttlicher Offenbarung herzuleiten noch aus der menschlichen Vernunft zu entwickeln. Vielmehr ist<br />

er ihr in den geschichtlichen Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> <strong>im</strong> Lebensvollzug der empirischen Kirche gegeben.“ 166<br />

Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, das Thema „christliches <strong>Wahrheit</strong>sverständnis“<br />

umfassend zu beleuchten. Es sollte aber deutlich werden – <strong>und</strong> darum geht es uns in diesem<br />

Kapitel –, dass es kein eindeutiges christliches <strong>Wahrheit</strong>sverständnis gibt. Halten wir also fest:<br />

Wer sich mit dem Thema befasst, stellt fest, dass es keinen homogenen synthetischen<br />

<strong>Wahrheit</strong>sbegriff, sondern eine unüberschaubare Pluralität der <strong>Wahrheit</strong>stheorien gibt, so dass<br />

163 Vgl. FISCHER 1994b, 94-97.<br />

164 Siehe Kap. 4.3.7.<br />

165 Vgl. FISCHER 1004b, 98-101.<br />

166 FISCHER 1004b, 107.<br />

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